Wolfgang Martin
Über den Ursprung Gottes aus dem Geiste des Menschen Psyche und Religiosität
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Inhalt
Vorwort 1
Einleitung 2
Die Gottesvorstellung - ein Produkt logischen Denkens 2
Die Vergöttlichung von Gestirnen 3
Schamanen, Priester, Opfer und weitere Götter 4
Die Geburt der Götter aus dem Geiste des Menschen 4
Gibt es metaphysische Räume wie zum Beispiel einen Himmel für metaphysische Wesen? 5
Die Geburt der Geister, Engel und Dämonen und die Magie 11
Die Welt der Mythen, Märchen und Legenden, ihre Tradierung und Bedeutung für die Menschen 13
Und noch mehr Götter und Mythen 14
Schamanen und Priester vermitteln zwischen den Gläubigen und den Göttern, Geistern und Dämonen 15
Schamanen und Priester verstehen sich auf ihren Vorteil 16
Wer die Mythen kontrolliert, kontrolliert die Macht - die "heiligen" Schriften 21
Der Übergang zum Monotheismus 22
Die israelitischen Mythen geben Anlass zu Gehässigkeiten 23
Die ersten Massaker an Juden 24
Der Monotheismus des Christentums und des Islams - Grundlage für Massenmorde 26
Mythen sind Märchen! 26
Warum sich Menschen ihren infantilen Glauben nicht nehmen lassen wollen 27
Den Ursachen auf der Spur: Sigmund Freud und die Psychoanalyse 27
Die Individuen und ihr ganz persönlicher Gott 29
Religionsgemeinschaften, Kirchen, Sekten: "Willst du nicht bei uns Mitglied sein..." 30
Ohne Religion keine Moral? Ohne Moral Mord und Totschlag? 31
Grundrechte des Menschen in Bezug auf sein Bekenntnis 32
Anmerkungen 33
.
Vorwort
"Glauben Sie an Gott?" - Diese Frage wurde mir während meiner Berufstätigkeit als Lehrer mitunter von muslimischen Schülerinnen gestellt. Sie schienen da mit etwas zu ringen und erhofften sich offenbar von mir Hilfe. Mich brachte diese Frage zunächst in Verlegenheit, war ich mir in meinen jungen Jahren darüber selbst nicht im Klaren. Was sollte ich darauf antworten? Als Pädagoge wusste ich natürlich, wie wichtig der Glaube an einen Gott für die Entwicklung junger Menschen sein kann, und so wollte ich natürlich nicht mit einer "falschen" Antwort im religiösen Blumenbeet der Fragestellerin herumtrampeln. Mal glaubte ich an Gott, mal nicht. Später dann pflegte ich folgende Antwort zu geben: "Wenn du an Gott glaubst, dann gibt es Gott." Ehrlich gesagt, schien diese Antwort in der Regel die Fragestellerin nicht wirklich zufriedenzustellen, aber damit glaubte ich mich am geschicktesten aus der Situation herauswinden zu können.
Einer meiner früheren Freunde machte mir einmal in meinen jungen Jahren den Vorwurf: "Bei dir weiß man nie, woran man ist: Glaubst du nun an Gott oder glaubst du nicht an Gott?" Das wollte ich so nicht stehenlassen und schrieb während eines Urlaubs auf Teneriffa meine Sichtweise zu dieser Frage auf. Diesen vierseitigen Text habe ich ihm nach dem Urlaub zu lesen gegeben. Mein Fazit war: Ich glaube nicht an Gott.
Heute bin ich alt und blicke auf mein Leben zurück, habe innerhalb weniger Jahre meines Ruhestandes 24 Bücher veröffentlicht, von denen sich nicht wenige mit Fragen der Religion beschäftigen, und ich habe das Gefühl, ich sollte die menschliche Gottesvorstellung doch noch einmal zum Gegenstand wissenschaftlichen Forschens machen, nüchtern, sachlich, abgeklärt. Wer mir also folgen will, ist herzlich eingeladen, mich dabei zu begleiten.
Der Verfasser
Einleitung
Gehen wir chronologisch vor: An welcher Stelle in der Menschheitsgeschichte stolpert ein Gott oder stolpern Götter in die Menschenwelt? Denn eines ist klar: Wenn wir nach Lamarck und Darwin davon ausgehen, dass der Mensch ein Produkt der Evolution ist und nicht das Geschöpf eines Gottes à la Genesis, dann sollte die Stelle, an der sich zum ersten Mal so etwas wie eine Gottesvorstellung beim Homo sapiens bildet, bestimmbar sein. Eine Hilfe bei der Bewältigung dieser Aufgabe ist ganz sicherlich die Beobachtung, dass Tiere offenbar weder an einen Gott glauben noch religiös sind. Sicher, wir können den Tieren nicht in den Kopf schauen - aber haben Sie schon einmal einen Schimpansen einen Altar errichten sehen? Haben Sie jemals beobachtet, wie eine Elefantenherde ihrem Gott einen Artgenossen geopfert hat? Wie ein Waschbär andächtig die Pfoten zusammengelegt hat, um zu beten? Oder gehört, wie eine Kuh inbrünstig Halleluja singt oder allahu akbar muht?
Nach all dem, was wir beobachten können, hat sich bei keinem Tier bisher so etwas wie eine Gottesvorstellung entwickelt. Und da der Mensch seine Heimat im Tierreich hat - er zählt zur Gruppe der Trockennasenprimaten -, muss es einmal eine Zeit in der Evolution des Menschen gegeben haben, zu der er noch keine Gottesvorstellung entwickelt hatte.
Wie also kam der Mensch auf Gott?
Die Gottesvorstellung - ein Produkt logischen Denkens
Gehen wir in der Zeit zurück und gesellen uns im Gedanken zu einer Horde Urmenschen. Keiner von der Gruppe hat je eine Schule besucht, niemand beherrscht die Integralrechnung, der Computer ist gänzlich unbekannt. Aber sie kommen in ihrer Lebenswelt klar: Sie wissen, zu welcher Zeit welcher Baum in ihrem Gebiet reife Früchte trägt, welche Wurzeln und Beeren essbar sind, welche Tiere sich wie am besten erlegen lassen, welche Pflanzenteile berauschende Wirkungen haben, wie man einfache Werkzeuge, Jagdgeräte und Waffen herstellt und vieles andere mehr. Mit diesem Wissen, diesen Fertigkeiten ist das dauerhafte Überleben der Gruppe in ihrer Lebenswelt gesichert.
Da gibt es aber auch jede Menge Erscheinungen in ihrer Umwelt, die ihnen unheimlich und bedrohlich erscheinen, die sie sich nicht erklären können: Blitze, zum Beispiel. Diese werden sowohl von Tieren als auch von Menschen wahrgenommen, aber soweit wir dies aufgrund unserer Beobachtungen sagen können, besteht in der mentalen Verarbeitung dieser Erscheinung zwischen den Tieren und den Menschen ein entscheidender Unterschied: Irgendwann in der Menschheitsgeschichte muss der Mensch die Warum-Frage gestellt haben: Warum gibt es diese Erscheinung? Und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Menschen damals noch nicht unseren heutigen Entwicklungsstand erreicht hatten, antworteten sie: Weil es einen Verursacher gibt. So wie praktisch jedes Kind irgendwann seine "Warum-Frage-Phase" durchlebt, so geriet der frühe Mensch irgendwann in diese Phase; er begann in den Kategorien von Ursache und Wirkung zu denken. Und obwohl ihm damals das naturwissenschaftliche Instrumentarium der Aufklärung, jenes von wissenschaftlicher Forschung, fehlte, entsprang die Antwort der damaligen Menschen dennoch denselben logischen Prinzipien: Jede Erscheinung muss eine Ursache haben. Und so ist der Verursacher des Blitzes - ganz gleich, welchen Namen der Mensch diesem Verursacher jeweils gab - eine "logische Hervorbringung des Verstandes, der sich nicht vorstellen kann, dass die Dinge keine Ursache und vor allem keine allerletzte Ursache haben sollen"1. Überall dort also, wo sich der urzeitliche Mensch Erscheinungen - besonders wenn sie phänomenal und/oder bedrohlich waren - nicht erklären konnte, setzte er Gott oder besser: einen Gott oder eine Göttin ein. Das war die Geburtsstunde der Gottesvorstellung des Menschen. Hinter einem Blitz, einem Vulkanausbruch, einem Sturm, einem Erdbeben usw. steckte ein Gott.
Die Vergöttlichung von Gestirnen
Kommen wir zur zweiten Quelle der Gottesvorstellung des Menschen. Der gestirnte Himmel ist nicht unheimlich oder bedrohlich, er ist in seiner Rätselhaftigkeit überwältigend. Wer einmal bei klarem Wetter in stockfinsterer Nacht über sich die funkelnden Lichter des Firmaments wahrgenommen hat, wird diesen Anblick nie wieder vergessen. Ob der Erhabenheit dieses funkelnden Gewölbes spürt man so richtig, wie klein, wie vergänglich, wie verloren der Mensch ist. Und die Urmenschen dürften sehr, sehr oft Gelegenheit gehabt haben, über sich dieses Gepränge bewundern zu können. Erklären konnten sie sich diese Erscheinung nicht, aber sie bemerkten, dass die Gestirne Regeln, Gesetzmäßigkeiten folgten: Auf einen Sonnenuntergang im Westen und nach einer mehr oder weniger langen Abwesenheit der Sonne (Nacht) folgte ein Sonnenaufgang im Osten. Der Sonnenhöchststand zur Mittagszeit war über das Jahr nicht gleichbleibend: Im Winter stand die Sonne zur Mittagszeit in höheren Breiten relativ nahe am Horizont, im Sommer deutlich höher. Der Sonnenuntergangs- und der Sonnenaufgangspunkt am Horizont wanderte übers Jahr in gesetzmäßiger Weise. Die Tage waren übers Jahr unterschiedlich lang. Die Sternbilder, die man nachts im Winter bewundern konnte, waren andere als jene im Sommer. Bestimmte Sterne oder Sternbilder ließen sich nur zu bestimmten Zeiten beobachten, in der übrigen Zeit gingen sie nicht am Firmament auf. Während die große Masse der Sterne ihren Platz unter den anderen Sternen stets beibehielt, wanderten einige wenige Sterne unter den anderen herum.
All diese Beobachtungen wären zwar erstaunlich gewesen, aber es wäre letztlich doch nur ein müßiger Zeitvertreib geblieben, hätten die Urmenschen nicht bemerkt, dass bestimmte Erscheinungen in ihrer Umwelt mit jenen am Firmament korrespondierten: Erschien ein bestimmter Stern zum ersten Mal im Jahr am Himmel, setzte das Nil-Hochwasser ein; ging die Sonne an einem bestimmten Punkt am Horizont auf, war der Winter vorbei und es wurde wieder wärmer; bei einer bestimmten Mittagshöhe der Sonne war mit dem Beginn der Regenzeit zu rechnen und so weiter. Für die damaligen Menschen und ihr Überleben waren Erscheinungen wie das Nil-Hochwasser, der Frühlingsbeginn oder der Beginn der Regenzeit von elementarer Bedeutung: Blieb das Nil-Hochwasser aus, brachten die Menschen die Saat nicht zur richtigen Zeit in den Boden, setzte die Regenzeit nicht zur rechten Zeit ein oder war sie zu kurz, konnte das für die damaligen Menschen den Tod bedeuten.
Und wieder folgten die Menschen dem Gesetz von Ursache und Wirkung: Die Erscheinungen in ihrer Lebensumwelt wurden von den Erscheinungen am Himmel verursacht: Die Regenzeit setzte ein, weil die Sonne zur Mittagszeit eine bestimmte Höhe erreicht hatte, der Frühling begann, weil die Sonne an einem bestimmten Punkt am Horizont aufgegangen war, das Nil-Hochwasser setzte ein, weil ein bestimmter Stern wieder am Himmel aufging.
Manchmal aber folgten die Naturerscheinungen diesen Gesetzmäßigkeiten nicht: Obwohl ein bestimmter Stern wieder am Himmel aufging, blieb das Nil-Hochwasser aus, obwohl die Sonne an einem bestimmten Punkt am Horizont aufgegangen war, ließ der Frühling auf sich warten, obwohl die Sonne zur Mittagszeit eine bestimmte Höhe erreicht hatte, warteten die Menschen vergeblich auf das Einsetzen der Regenzeit. Und da die Menschen dazu neigten, die vermeintlichen Verursacher bestimmter Erscheinungen zu vergöttlichen, vergöttlichten sie auch die Gestirne am Firmament: die Sonne, den Mond, Venus, Merkur, Mars, Jupiter und Saturn, die Plejaden usw. - sie alle wurden zu Göttern, welche die so ungeheuer wichtigen Erscheinungen in der Lebensumwelt der damaligen Menschen bewirkten, und blieben einmal die zu erwartenden Erscheinungen aus, so konnte das nur daran liegen, dass die Götter am Himmel aus irgendeinem Grund schmollten, dass sie den Menschen ihre Gnade entzogen hatten. Warum? Die Menschen hatten irgendwelche Fehler gemacht ("Sünden begangen"), für die sie jetzt von den Göttern bestraft wurden. Es galt also nun, die betreffenden Götter wieder gnädig zu stimmen, sie mit den Menschen zu versöhnen. Was lag hier näher, als ihnen etwas zu opfern, etwas, was den Menschen sehr wertvoll war, was ihnen viel bedeutete, damit sich die Götter auch wirklich umstimmen ließen. Auch konnte das Opfer nicht von Hinz oder Kunz aus dem Stamm dargebracht werden, das würde die Götter erneut erzürnen, die Opferung müsste schon vom Häuptling oder von einer im Stamm hoch geachteten Person vollzogen werden, von einem, der schon immer spezielle spirituelle Anlagen gezeigt hatte, einem Schamanen, einem Priester.
Schamanen, Priester, Opfer und weitere Götter
Wir stehen hier an der Herausbildung eines (Opfer-) Kultus und einer Personengruppe, die den Kultus unter Einhaltung bestimmter Riten vollzog, einer Priesterschaft. Und da es nun schon einmal eine erkleckliche Zahl von Göttern gab, war nicht einzusehen, warum das die einzigen sein sollten: Auch hinter der Erde steckte eine Gottheit, hinter dem Feuer, der Luft, dem Wasser, dem Fluss, dem Berg, dem Baum… Die menschliche Fantasie kannte da kaum Grenzen und allen diesen Göttern musste geopfert werden, damit sie den Menschen geneigt blieben, alle Opfer mussten von Priestern dargebracht werden, weil nur diese über das Wissen verfügten und somit in der Lage waren, die Opfer in der richtigen Weise zu vollziehen.
Zugleich wurde den Göttern eine wichtige Eigenschaft zuerkannt, jene des ewigen Lebens: "Als die Menschen Nacht für Nacht, Jahr für Jahr am noch klaren Himmel des Orients sahen, dass immer wieder dieselben Sterne auf- und untergingen und dabei die immer wieder gleichen Bahnen zogen, schlossen sie daraus, dass sie unvergänglich sein mussten. Sie besaßen also die Fähigkeit, der Zeit zu trotzen:
'Bei Schamasch weilen ewig nur die Götter,
Der Menschen Tage (aber) sind gezählt,
Nur eitel Windhauch bleibt, was sie auch tun!'
So steht es im Gilgamesch-Epos geschrieben" (Mess, S. 24/5), dessen Ursprünge Jahrtausende vor unserer Zeit liegen.
Die Geburt der Götter aus dem Geiste des Menschen
An dieser Stelle ist es angebracht, kurz innezuhalten und sich eine wesentliche Tatsache vor Augen zu halten: "Niemand hat je Gott oder Zeus oder Odin gesehen. Und keine Religion, keine Philosophie, keine Wissenschaft hat je die Kardinalfrage beantwortet: Hat das, was er macht, einen Sinn? Und wenn ja, was beabsichtigt Gott? Existiert er bloß sich selbst zu Ehren, hat er die Welt bloß zu seinem Vergnügen erschaffen? [...] Doch der Nihilismus ist für den Menschen unerträglich. Sollen all die Anstrengungen eines ganzen Lebens, so viel Liebe und so viel Mühe dazu bestimmt sein, sich in Staub aufzulösen, ohne eine andere Spur zu hinterlassen als in der Erinnerung anderer Menschen, die ihrerseits denselben Weg gehen werden, ohne etwas anderes als unbestimmte Worte auf verwitternden Steinen zu hinterlassen oder auf Papier, das sich zersetzt, in Datenbanken von Rechnern, die ein Kurzschluss zum finalen Koma verdammt? [...]
Was ist diese Entität [dieses Daseiende, das Bewusstsein] [...]? Alles, was wir darüber mit relativer Sicherheit aussagen können, ist, dass sie [gemeint ist das Bewusstsein] ihren Sitz im Gehirn hat, im Inneren der Schädelkapsel, im menschlichen Gehirn, obwohl auch Tiere ein Bewusstsein besitzen." (Mess, S. 623) "Hier, in diesem sterblichen Knäuel [Nervengeflecht im Gehirn], hat die Vorstellung von Gott ihren Sitz." (Mess, S. 624)
Gibt es metaphysische Räume wie zum Beispiel einen Himmel für metaphysische Wesen?
Bevor wir nun aber wieder den Faden unserer Untersuchung aufnehmen und zur dritten Quelle übernatürlicher Wesen kommen, den Geistern, Engeln und Dämonen, und zum Bereich der Magie, sollten wir uns der Frage nach dem Aufenthaltsort von Göttern, Geistern, Engeln und Dämonen stellen: Gibt es einen Himmel, gibt es übernatürliche, metaphysische (Aufenthalts-) Räume, in denen solche Wesen existieren?
Es ist schon seltsam: Als ein westlicher Reporter Gagarin, den ersten Menschen im Weltall, fragte, ob er bei seiner Erdumrundung Gott gesehen habe, erwiderte dieser: "Gott habe ich dort oben nicht gefunden." In Predigten, Andachten oder erbaulichen Schriften wurde und wird Gagarin dafür bis heute belächelt, für naiv oder dumm erklärt.2 Warum? Weil die Gott-Experten Gagarin unterstellten, er habe selbst im 20. Jahrhundert noch ein mittelalterliches Himmels- und Gottesbild: Für die Menschen des Mittelalters "besteht das Weltall aus konzentrisch ineinander liegenden Kugeln und entsprechenden Ebenen. Der innerste Bezirk - die Hölle im Innern der Erde - ist aus grobem und ungeläutertem Material. Je höher man durch die verschiedenen Planeten tragenden Sphären emporsteigt, umso leichter, lichtvoller und vollkommener werden die Himmelskörper. Die äußerste Sphäre stellt das Firmament dar, eine kugelgestaltige Kapsel, die das Universum umschließt. Jenseits des Firmaments liegt Gottes Welt, die wiederum zwei Ebenen besitzt. Die erste, der sogenannte 'geistige Himmel' oder das Empyreum, dient als Aufenthaltsort der Seligen und der Engel und wird von Gott regiert. [...] Die Dreifaltigkeit selbst wohnt oberhalb dieses Bereiches im 'Himmel der Himmel'. Auch Himmel der Trinität genannt, ist er Gott allein vorbehalten."3
Diejenigen, die Gagarin mitleidvoll belächelten und heutzutage genau wissen, dass der Himmel so nicht aussieht - schließlich widerlegen bereits einfache Teleskope die mittelalterliche Vorstellung - sind nichtsdestotrotz nicht in der Lage anzugeben, wie der Himmel denn dann aussehen soll und wo er sich befindet. Bei hartnäckiger Nachfrage flüchten sie sich rasch in ein nebulöses Irgendwas und Irgendwo und übrig bleibt - wie meist bei Theologen - der Verweis auf den Glauben: Da Gott (sprich: der menschlichen Fantasie) alles möglich ist, ist es ihm (ihr) auch möglich, einen Himmel zu schaffen, den kein Mensch wahrnehmen kann - was die meisten Theologen nicht daran hindert, ihren Gläubigen vorzuschwärmen, wie wunderbar es dermaleinst im Himmel sein wird; man muss eben einfach daran glauben.
Tatsächlich gehen bis heute die meisten Gläubigen von der mittelalterlichen Vorstellung aus: Es gibt Fußballer, die, wenn sie ein Tor geschossen haben, dankbar nach oben blicken oder sich gar auf den Rasen knien und sich verneigen. Laufen sie ins Stadion ein, schicken sie - für alle Zuschauer erkennbar - ein Gebet "nach oben", in welchem sie Gott um viele Tore bitten. Eine Frau, die in einer Kirche kniet, verspricht Gott für eine Wunscherfüllung eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela und blickt dabei nach oben: Da oben sitzt Gott in seinem Himmel auf seinem Thron und blickt gnädig auf sie nieder. - Über welche Leute sollte man da also - wenn schon - mitleidig lächeln?!
Begibt man sich bei der Suche nach einem etwaigen Himmel auf wissenschaftlichen Grund, so finden sich keinerlei Hinweise auf irgendwelche transzendentalen, metaphysischen Räume. Dazu sei im Folgenden der derzeitige physikalische Kenntnisstand bezüglich des Universums referiert: Wir wissen heute, im 21. Jahrhundert, dass es nicht eine Welt gibt, sondern zwei und dass die uns bekannte Welt in der anderen Welt enthalten ist und in ihrer Entstehung und Existenz von der anderen Welt abhängt. Diese uns unsichtbare Welt ist im wahren Wortsinn allgegenwärtig, es gibt keine Stelle im Universum, wo sie nicht wäre; sie ist in unserer Galaxis, sie ist in unserer Sonne, in unserer Erde, im Auto, das gerade an uns vorbeifährt, sie ist in uns und füllt uns wie alles vollständig aus. Unser gesamtes Universum ist enthalten in dieser anderen Welt und diese andere Welt ist - das Nichts.
Nun ist es nicht so, dass das Nichts keine Eigenschaften hätte - ganz im Gegenteil: Im Nichts - die Physiker nennen es das Quantenvakuum - ist der Bär los! 1984 schreibt der Elementarteilchenphysiker Harald Fritzsch4: "Im Rahmen der Quantentheorie ist das Vakuum, das für einen makroskopischen Beobachter recht harmlos aussieht, ein sehr kompliziertes System." (Fritzsch, S. 173) "In der Elektron-Positron-Vernichtung ist dies anders. Aus der vorhandenen Energie kann man im Wesentlichen alles erzeugen, was sich bei der in Frage kommenden Energie eben produzieren lässt. Man erzeugt neue Teilchen gewissermaßen aus dem Nichts, also aus dem Vakuum. Darum sagen die Elementarteilchenphysiker auch gern, dass man mit Hilfe der Elektron-Positron-Vernichtung die Struktur des Vakuums erforscht." (Fritzsch, S. 215)
Der britische Physiker Paul Davies5 charakterisiert das Vakuum drei Jahre später folgendermaßen: "Was als leerer Raum erscheinen könnte, ist [...] ein brodelndes Ferment aus virtuellen Teilchen. Ein Vakuum ist keineswegs träge und ohne Besonderheiten, es steckt voller pulsierender Energie und Leben. Ein 'reales' Teilchen, wie ein Elektron, muss immer vor diesem Hintergrund voll frenetischer Energie gesehen werden. Wenn sich ein Elektron durch den Raum bewegt, dann schwimmt es eigentlich durch einen See von Geisterteilchen aller Arten - virtuellen Leptonen, Quarks und Botenteilchen, die in einem großen Handgemenge vereint sind. Die Gegenwart eines Elektrons wird durch diese irreduzible Aktivität des Vakuums verzerren und die Verzerrung wirkt auf das Elektron zurück. Auch wenn es sich nicht bewegt, ist ein Elektron nicht unbewegt; permanent wird es von allen Arten von Teilchen aus dem Vakuum attackiert.
Wenn zwei Elektronen ein Botenphoton austauschen, dann ist diese Transaktion nichts anderes als eine weitere Störung mitten in einem vorgegebenen Kraftwerk voller Wechselwirkungen. Die korrekte Beschreibung der Kräfte zwischen den Teilchen muss diese zusätzlichen virtuellen Quanten berücksichtigen. Die vollständige Erfahrung eines gegebenen Teilchens in der Anwesenheit von Kraftfeldern wird auch Vorgänge einschließen, bei denen Botenteilchen mit dem Vakuum in Wechselwirkung treten und bei denen sich Vakuumteilchen an die sendenden und die empfangenden Botenteilchen anhängen. Es wird eine unendliche Vielzahl von möglichen Wechselwirkungen geben, die alle auf einmal stattfinden." (Davies, S. 138/9)
In Bezug auf den Bereich der Astronomie, der Urheimat des Vakuums, schrieb 1997 der deutsche Elementarteilchenphysiker Henning Genz6 (S. 224 ff.): "Licht können wir [...] als Anregung des leeren Raumes verstehen. [...]
Zur Anregung des leeren Raumes, die das Licht ist, gehört Energie [...]. [...]
Bereits der leere Raum ermöglicht also Schwingungen [...], die als Licht Energie transportieren. [...]
Die Energie, die eine Fotozelle jetzt liefert, hat die Sonne in der Form von Licht vor acht Minuten verlassen. Während das Sonnenlicht durch den Raum reiste, war seine Energie nicht verloren. Sie gehört zu den Anregungen des leeren Raumes, die das Licht bewirkt [besser: ist]. [...]
Die Unschärferelation impliziert [...], dass es kein Gebiet geben kann, in dem die elektromagnetischen Felder - die elektromagnetischen Wellen - vollkommen verschwinden [Nullpunktsenergie]. Sie können im Mittel verschwinden, müssen aber so fluktuieren, dass die Energieschwankungen der Unschärferelation genügen. [...]
Aus der Unschärferelation folgt weiter, dass im Vakuum die Prozesse der Paarbildung und Paarvernichtung zu allen Zeiten und überall ablaufen. [...]
'Licht' steht hier abermals für elektromagnetische Wellen mit beliebigen Frequenzen. [...] Sie [die sich im Vakuum ausbreitenden elektromagnetischen Wellen] bewegen sich nicht frei, sondern werden durch die elektrisch geladenen Elektron-Positron-Paare des Vakuums gestreut. Wir können auch sagen, dass das Photon vernichtet wird. Wie erinnerlich, steht ‚Photon' für elementare Schwingungen des Lichtes. Physiker bezeichnen sie auch als Lichtteilchen.
Einen leereren Raum als das physikalische Vakuum gibt es nicht. Daher ist es unmöglich, die Behinderung der Bewegung eines Lichtteilchens durch das Vakuum an einer Bewegung in einem 'leereren' Medium zu messen. Jedes Lichtteilchen - jedes Teilchen überhaupt! - trägt seine Wolke virtueller Reaktionspartner mit sich herum. Gibt es kein weiteres Teilchen, ist die Wolke unbemerkbar. Kommen aber zwei Teilchen zusammen, so auch ihre Wolken. Die virtuellen Teilchen der Wolken wechselwirken dann miteinander und beeinflussen dadurch die allein beobachtbaren Wechselwirkungen der realen Teilchen.
Wie Lichtteilchen mit den elektrisch geladenen Teilchen-Antiteilchen-Paaren des Vakuums wechselwirken, so elektrische Ladungen mit den virtuellen Lichtteilchen der bereits bekannten elektromagnetischen Nullpunktsstrahlung [...]. Wieder kann die Behinderung der Bewegung durch das physikalische Vakuum nicht mit einer Behinderung durch einen 'leereren' Raum verglichen werden. Wir können das auch so interpretieren, dass die Ladung ein Photon emittiert und alsbald wieder absorbiert.
Dass bei Elementarteilchenreaktionen nicht nur die Teilchen miteinander, sondern auch ihre Wolken virtueller Teilchen miteinander und mit den Teilchen reagieren, macht Vakuumeffekte beobachtbar."
Ähnlich beschreibt der britische Elementarteilchenphysiker Frank Close7 2009 in seinem Buch "Das Nichts verstehen" die Verhältnisse im Vakuum (S. 116 - 135): "Auf atomaren Skalen schäumt das Leere nur so vor Aktivität, Energie und Teilchen. [...]
Stellen Sie sich einen Bereich vor, in dem sich ein Vakuum befindet, beispielsweise einen Kubikmeter Weltraum, aus dem sämtliche Wasserstoffatome und alle anderen Teilchen entfernt wurden. Ist dieser Bereich wirklich vollkommen leer - ohne Materie und Energie? In einem Quantenuniversum lautet die Antwort: nein.
[...] Die Materie und die Masse lassen sich vielleicht entfernen, aber wegen der Quantenunschärfe muss immer noch Energie vorhanden sein: Die Energie kann nicht auch null sein. Die Behauptung, es gäbe eine absolute Leere, in der sich auch keine Energie befindet, verletzt die Unschärferelation. Es muss immer eine Minimalenergie geben, die man als Nullpunktenergie bezeichnet; weniger ist nicht möglich. [...]
Die Nullpunktenergie äußert sich [...] in einer Bewegung, beispielsweise einer Bewegung der Atome innerhalb der Moleküle sowie einer Bewegung der einzelnen Moleküle in einem größeren Verbund. Gewöhnlich verbinden wir die Bewegung der Moleküle in einer Substanz mit der Temperatur; je höher die Temperatur, umso heftiger sind diese Bewegungen. Nach der Quantentheorie muss es jedoch immer eine Nullpunktenergie geben, auch wenn man sich dem absoluten Temperaturnullpunkt nähert [- 273° Celsius]. Daraus folgt, dass es unmöglich ist, einen Temperaturpunkt zu erreichen, bei dem alles sowohl hinsichtlich des Orts als auch des Impulses und der Energie eingefroren ist.
Diese Überlegungen treffen auf jedes endliche Raumgebiet zu, selbst wenn sich darin keine Materie befindet. Daher ist in einem leeren Raumgebiet, 'leer' in dem Sinne, dass sämtliche Materie entfernt wurde, immer noch eine gewisse Energie. Alle endlichen Volumina haben unabhängig von ihrer Größe eine Fluktuation in der Energie. Für makroskopische Volumina ist dieser Effekt zu klein, um bemerkt zu werden, doch für sehr kleine Volumina sind die Energiefluktuationen teilweise groß. [...]
[...] die Fluktuationen aufgrund der Nullpunktphänomene sind immer vorhanden, das heißt, so etwas wie einen leeren Raum im wörtlichen Sinne gibt es nicht. Heute bezeichnen wir mit dem Vakuum den Zustand, bei dem die Energie den kleinstmöglichen Wert annimmt. Aus diesem Zustand lässt sich keine Energie mehr entfernen. In der Fachsprache heißt das Vakuum daher auch 'Grundzustand'. Die Naturgesetze erlauben natürlich auch angeregte Zustände mit Energiedichten zu einem, zwei oder einer Milliarde materiellen Teilchen oder auch einer Strahlung. All diese Teilchen lassen sich entfernen und man gelangt zum Grundzustand, doch die Quantenfluktuationen bleiben bestehen. Das Quantenvakuum ist wie ein Medium [...]. [...]
Das Leere ist ein Quantensee von Nullpunktwellen mit allen möglichen Wellenlängen, angefangen bei solchen, die kleiner sind als atomare Skalen, bis hin zu solchen, deren Ausdehnung wahrhaft kosmisch ist. [...]
Die Nullpunktbewegung des elektromagnetischen Feldes ist im Vakuum immer vorhanden. Die Nullpunktenergie lässt sich dem Vakuum nicht entnehmen und kann auch nicht als Energiequelle genutzt werden; die Energie des Vakuums ist bereits so klein, wie es eben möglich ist. Trotzdem spüren Teilchen, die durch das Vakuum treten, den Einfluss der Nullpunktbewegung.
Ein Elektron zittert leicht hin und her, wenn es die Nullpunktbewegungen des elektromagnetischen Feldes spürt. [...]
Es herrscht allgemeine Übereinstimmung, dass das Quantenvakuum aller bekannten Materie zugrunde liegt und sogar der Matrix von Raum und Zeit selbst. [...]
Einsteins berühmte Gleichung E = mc2 lässt sich auch in der Form m = E/c2 lesen, was besagt, dass sich Masse aus Energie gewinnen lässt. Ein Elektron und sein Antimaterie-Zwilling, das Positron, haben dasselbe mc2 und tragen die gleiche Ladung, aber mit entgegengesetzten Vorzeichen. Wenn also mehr Energie als 2mc2 zur Verfügung steht, können ein Elektron und ein Positron entstehen. Die Energiefluktuationen im Vakuum können spontan zu einem Elektron und Positron werden, allerdings ist ihre Lebensdauer durch die Unschärferelation auf den kurzen Zeitraum von weniger als h/2mc2 begrenzt, was ungefähr 10 hoch -21 Sekunden entspricht. In dieser kurzen Zeit kann Licht kaum den tausendsten Teil eines Wasserstoffatoms durchqueren. Solche 'virtuellen' Teilchen lassen sich nicht unmittelbar beobachten, ebenso wenig wie die Abweichung von der Energieerhaltung, auf denen diese Fluktuationen beruhen. Aus diesen Überlegungen folgt jedoch, dass das Vakuum mit virtuellen Teilchen angefüllt ist, und das lässt sich mit genauen Messungen nachweisen.
Ein elektrisch geladenes Teilchen wie ein Elektron oder ein Ion ist von einer Wolke aus virtuellen Elektronen und Positronen umgeben. Es ist auch von allen anderen Arten von geladenen Teilchen und ihren Antiteilchen umgeben. Je schwerer diese sind, umso vernachlässigbarer sind ihre Fluktuationen, daher sind Elektronen und Positronen als die leichtesten Teilchen die Hauptakteure. Diese Wolken äußern sich in einer Beeinflussung der Stärke der elektrischen Kräfte zwischen zwei geladenen Gegenständen. Je feiner das Mikroskop, mit dem wir das Vakuum untersuchen, umso besser können wir diese virtuellen Wolken wahrnehmen. Ein Elektron-Positron-Paar, das innerhalb eines tausendstel Teils des Atomradius aus seiner virtuellen Existenz tritt, kann die Kraft zwischen dem Proton und dem entfernten Elektron in einem Wasserstoffatom beeinflussen. Dies führt wiederum zu einer winzigen Veränderung des reziproken Quadrat-Gesetzes für die Kraft. Außerdem beeinflusst es die magnetischen Eigenschaften von Teilchen wie dem Elektron auf berechenbare Weise, die mit den experimentellen Ergebnissen auf mehr als zehn Stellen hinter dem Komma übereinstimmen. [...]
In dieser Interpretation ist das Vakuum ein Medium. Es verhält sich in mehrfacher Hinsicht wie ein wirkliches Medium, beispielsweise wie bestimmte Festkörper oder Flüssigkeiten, bei denen sich eine große Anzahl von Atomen oder Teilchen in verschiedenen 'Phasen' organisieren. Das Quantenvakuum entspricht einer Konfiguration in einem Vielteilchensystem mit der niedrigsten möglichen Energie, dem 'Grundzustand'."
Und aus dieser brodelnden Suppe, aus diesem Quantenvakuum ist das Universum, so, wie wir es beobachten können, hervorgegangen - und da hinein könnte es auch wieder entschwinden. Wie? Das wissen wir nicht. Dass zur Entstehung unserer materiellen Welt Energie vonnöten war, ist sicher. Wo diese Energie herkam, die aus dem brodelnden Quantenvakuum all die Atome entstehen ließ, aus denen sich unsere materielle Welt zusammensetzt, wissen wir nicht. Ja, wir wissen noch nicht einmal, in welchem Stadium sich der Entstehungsakt unserer Welt überhaupt befindet: Hat die Entstehung unserer Welt gerade erst begonnen? Befindet sich die Entstehung unseres Universums auf ihrem Höhepunkt? Oder leben wir in einem Universum, das sein Altersstadium bereits erreicht hat?
Fakt ist, dass die Materie des uns sichtbaren Universums im Verhältnis zum Raum, in dem die Materie treibt, zum Beispiel in unserem Sonnensystem, gerade einmal 0,000000000084 % ausmacht; das ist etwa ein Zehnmilliardstel des Raumes unseres Sonnensystems. Man könnte auch sagen, dass die Materie im Weltraum lediglich eine vernachlässigbare Verunreinigung desselben darstellt.
Dass die für die Entstehung unseres Universums nötige Energie mit einem Mal als geballter Energiestoß daherkam und im Quantenvakuum schlagartig unser Weltall entstehen ließ, klingt wenig wahrscheinlich, wenngleich bei dieser Vorstellung die Äuglein der Anhänger der Urknall-Hypothese sicherlich zu leuchten beginnen.
Einleuchtender klingt da doch die Vermutung, dass die Materie-Entstehung aus dem Quantenvakuum ein allmählicher, unspektakulär stetiger Prozess ist, vergleichbar mit dem Entstehen und Wachstum einer Wolke in der unteren Atmosphäre.
Auch könnten die Bedingungen in verschiedenen Regionen des Raumes unterschiedlich sein; so könnte es "Hochdruckgebiete" innerhalb des Quantenvakuums geben, in denen stetig aus der Quantensuppe Protonen entstehen, während in "Tiefdruckgebieten" des Quantenvakuums stetig Protonen wieder in das Quantenvakuum verschwinden.
Wenn wir von Beobachtungsergebnissen ausgehen, so lässt sich beispielsweise eine stetige Wasserstoffemission aus dem Zentrum unserer Heimatgalaxis, der Milchstraße, nachweisen. Simon Mitton schreibt in seinem Buch "Die Erforschung der Galaxien"8, "dass [im Zentrum der Milchstraße] großräumige Gasbewegungen existieren und dass diese im Sinne der Expansion von Wasserstoffwolken aus dem Kern der Galaxis heraus interpretiert werden können" (S. 83). "[...] sogar die ruhige Andromedagalaxie, von der man lange glaubte, sie habe ein totes Zentralgebiet, [...] stößt Materie mit einer Rate von 0,01 Sonnenmassen pro Jahr aus." (S. 82)
Der früher in der Sowjetunion arbeitende armenische Astrophysiker und Astronom Viktor Ambarzumjan entwickelte in seinem Buch "Probleme der modernen Kosmogonie"9 die "Vorstellung, dass im Weltall sehr massive, überdichte oder sehr dichte Körper unbekannter Natur existieren [...]." (Ambar, S. 85) Er schreibt: "Die Erforschung der Radiostrahlung führte zur Vorstellung, dass in Kernen von Galaxien gigantische Ausbrüche vor sich gehen. Dabei ist das Auftreten von Radiogalaxien eng mit der Entstehung großer, Radiostrahlen emittierender Massen diffuser Materie in bis dahin normalen Galaxien verbunden. Woher kommen diese Massen? Für die inneren Teile der Galaxis existiert, wie eine Analyse der Probleme zeigte, kein entsprechender Mechanismus. Andererseits ist die Natur der inneren Teile der Galaxien, speziell ihr Kern, unbekannt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Massen den Kern verlassen und sich später in radiostrahlende Wolken umwandeln. Diese Wolken müssen sich ausreichend schnell aus dem Kerngebiet entfernen, d. h., der ganze Prozess trägt Ausbruchscharakter. Man bezeichnet die Galaxie in der Phase der intensiven Radiostrahlung gemeinhin als 'radioaktive' Galaxie. Es bestehen kaum Zweifel, dass die Radioausbrüche einer Galaxie das Resultat eines gigantischen Ausbruchs in ihrem Kern sind." (Ambar, S. 7) Damit spiele der Kern "die fundamentale Rolle […] bei der Bildung aller Galaxien und ihrer weiteren Entwicklung [...]." (Ambar, S. 8)
Er vermutete dort "Konzentrationen [...] großer Massen in verhältnismäßig kleinem Volumen. Es handelt sich um Massen in der Größenordnung von 1010 Sonnenmassen und manchmal noch größer, konzentriert in einem Volumen, das viel kleiner ist als das Volumen irgendeines Sternhaufens. Es geht um die Umwandlung von Materie, wobei sich die Dichte millionenfach ändert und die Stärke des Gravitationsfeldes beispiellose Größenordnungen erreichen kann." (Ambar, S. 10)
Die Befunde der Galaxienforschung gaben Ambarzumjan Recht: "Zusammenfassend können wir [...] sagen, dass dichte und massive Wolken, reich an organischen Molekülen, im galaktischen Kern [unserer Milchstraße] geboren zu werden scheinen und sich jetzt aus dem Zentralgebiet heraus ausbreiten." (Mitton, S. 87) "Ambarzumian [...] schlägt vor, dass Spiralarme aus starken Explosionen in den Kernen der Galaxien entstehen oder beeinflusst werden, insbesondere durch Explosionen, die einen großräumigen Gasauswurf bewirken. Diese Hypothese sieht vor, dass Spiralarmmaterial aus dem rotierenden Galaxienkern gefeuert wird.
Anzeichen zugunsten eines Kernejektionsmodells kamen teilweise aus Beobachtungen in der Milchstraße. Diese scheinen zu zeigen, das die Arme und Ringstrukturen in der Kernregion unserer eigenen Galaxis vom Zentrum weg expandieren, als ob sich vor etwa 10 Millionen Jahren Explosionen ereignet hätten. Genauere Hinweise kamen von der Kartierung der Spiralgalaxie NGC 4258 von van der Kruit, Oort und Mathewson. In dieser Galaxie besteht die Radiostruktur aus zwei gekrümmten Rücken, die in Form und Lage von den optischen Armen abweichen. Die inneren Teile der Radioarme deuten sich auch schwach auf Fotografien an, die im roten Licht des Wasserstoffs aufgenommen sind, deshalb müssen sie wenigstens etwas Wasserstoffgas enthalten. Eine Interpretation von NGC 4258 ist, dass die Radioarme aus dem Kern ausgestoßen wurden. Vor 18 Millionen Jahren fand in dieser Galaxie wahrscheinlich eine Explosion statt; die gesamte ausgestoßene Masse ist ungefähr 10 - 100 Millionen Sonnenmassen. Innerhalb weiterer 80 Millionen Jahre werden die gewöhnlichen differenziellen Rotationseffekte bewirken, dass die gegenwärtigen Arme sich zu einer konventionellen Spiralstruktur entwickeln werden. Der Mechanismus der Kernejektion könnte deshalb das Mittel sein, durch das die Spiralstruktur geboren und wiedererzeugt wird." (Mitton, S. 262/3)
Bezüglich der Radiogalaxien (Galaxien mit hoher Strahlungsleistung im Radiowellenbereich) heißt es in MHW10: "Die Quelle der Aktivität ist im Kern der jeweiligen Galaxie zu suchen. Als direkter Hinweis darauf sind die stark gebündelten Strahlen (Jets) anzusehen, die aus den Kernen der Galaxien herausschießen [...]. Die Geschwindigkeiten der Jets, bestimmt durch die Messung der Doppler-Effekte, und ihre Strukturierung (Knoten) lassen auf Vorgänge im Kern schließen, in denen sehr hohe Energien freigesetzt werden, die aber zeitlich variabel sind." (MHW, S. 490) Und bezüglich unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, heißt es (S. 455): "Untersuchungen der Radialgeschwindigkeiten im Zentralbereich der Galaxis haben gezeigt, dass bis zu 1 pc Distanz die Geschwindigkeitsstruktur mit einer etwa homogenen Dichteverteilung vereinbar ist. Bei noch kleineren Abständen vom Zentrum steigt die Geschwindigkeit jedoch wieder an, was die Existenz eines supermassiven Objekts (etwa 106 Sonnenmassen innerhalb 0,1 pc) im Zentrum belegt." "Neueste Studien gehen davon aus, dass sich im Zentrum jeder Galaxie ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet [...]."11
Fazit: Im Kern von Galaxien sitzt wohl mindestens ein gewaltiges Schwarzes Loch, aber es betätigt sich offenbar des Öfteren als Weißes Loch. Die physikalischen Vorgänge, die ein Schwarzes Loch zeitweilig veranlasst, als Weißes Loch zu fungieren, entziehen sich bisher vollständig der Erforschung. Hypothesen dazu werden sicherlich entwickelt werden können, aber ihre Nachprüfung wird sich wohl als sehr schwierig erweisen, da wir ein Schwarzes Loch nur indirekt über seine Wirkungen auf seine Umgebung erforschen können.
Offen ist auch, ob es sich bei der ausgestoßenen Materie um Material direkt aus dem Quantenvakuum handelt oder um bereits vorhandenes Material, das Teil des Schwarzen Loches resp. Weißen Loches war. Auch die Frage, ob es in den Schwarzen/Weißen Löchern zu Wechselwirkungen zwischen dem Quantenvakuum und der Materie im Schwarzen/Weißen Loch kommt, harrt noch der Beantwortung.
Natürlich steht es der Fantasie eines jeden Menschen frei, hier noch einen Himmel mitsamt Gott oder Göttern, Engeln, Heiligen, Erlösten und Auserwählten etc. und weitere transzendentale, metaphysische Räume hineinzuquetschen oder schlicht das Quantenvakuum zu einem solchen zu erklären - physikalische Hinweise auf solche Räume gibt es aber, wie gesagt, nicht.
Die Geburt der Geister, Engel und Dämonen und die Magie
Kommen wir nun - nach diesem Ausflug in "himmlische Gefilde" - doch endlich zur dritten Quelle übernatürlicher Wesen, den Geistern, Engeln und Dämonen, und zum Bereich der Magie. Wie kam der Mensch darauf?
Dazu begeben wir uns wieder zu den Urmenschen und setzen uns zu ihnen an ein nächtliches Lagerfeuer. Über uns der Sternenhimmel, vor uns das knackende, knisternde, zischende Holz im Feuer, neben uns die Mitglieder einer Horde Urmenschen, um uns herum wilde, dunkle Natur. Wir sind Kinder und hören unheimliche Geräusche im Dunkel der Nacht: ein Brüllen, Fiepen, Heulen, Bellen, Gackern, Glucksen, Zischen, Brummen und Laute, für die uns gar keine Begriffe zur Verfügung stehen. Dazu raschelt es andauernd im dunklen Gebüsch hinter uns, seltsame Lichter sehen uns aus der Finsternis heraus an und die Großmutter erzählt gerade eine gruselige Geschichte aus der Vergangenheit unserer Sippe. - Eng schmiegen wir uns aneinander, vergewissern uns ängstlich mit einem Blick in die Gesichter der Erwachsenen, dass diese alles im Griff haben, wir nichts befürchten müssen.
Ein junger Balinese erzählte mir, während ich auf der Insel meinen Urlaub verbrachte, früher, als es noch keine Touristen auf der Nachbar-Insel Lombok gab, habe man dort noch des Nachts mitunter den Teufel sehen können, aber seit sich auch dort Touristen aufhielten (und die Elektrizität Einzug gehalten hatte), lasse der sich nicht mehr blicken.
Es drängte sich den Urmenschen geradezu auf, die Existenz unheimlicher, wahrscheinlich sogar gefährlicher Wesen in der umgebenden Natur zu vermuten. Als eine Forschergruppe zum ersten Mal Kontakt mit einem Eingeborenenstamm im Amazonasgebiet aufnahm, der bis dahin noch keinerlei Kontakt mit der brasilianischen Zivilisation gehabt hatte, kam nach geraumer Zeit der Schamane (?) aus dem Dschungel und animierte die Gruppe zum Tanzen. Der Eingeborene hielt sie für Geister, die man - so glaubte er - auf diese Weise unschädlich machen konnte. - In Thailand stehen einige Meter vom Haus entfernt kleine Geisterhäuschen; damit die Geister des Grundstücks nicht in das Haus einziehen, bietet man diese Häuschen den Geistern als Wohnung an. - Im alten China war es Brauch, mit einer Mauer in einigem Abstand vom Hofeingang entfernt diesen vor den Geistern zu verdecken, damit diese nicht ins Anwesen finden. - ...
Von Beginn an bevölkerte die menschliche Fantasie die Welt mit übernatürlichen Wesen, Geistern und Dämonen, Wiedergängern bzw. Zombies, Engeln, den Seelen von Verstorbenen usw. Auch dies entsprang letztlich dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Alle Erscheinungen, die sich der Mensch nicht erklären konnte, und deren gab es viele, wurden - wenn nicht von Göttern - so von solchen, eben genannten übernatürlichen Wesen bewirkt. Auch glaubte man an die Wirksamkeit magischer Handlungen. So gehören viele Höhlen- und Felszeichnungen der frühen Menschen neben der Darstellung von Jagdszenen zum Bereich des Jagdzaubers, wodurch "Jagdglück heraufbeschworen oder die Kraft des erlegten Tieres auf den Jäger übertragen werden"12 sollte.
Über die vorgeschichtliche Zeit, das Altertum und das Mittelalter findet sich dieser Glaube bis heute in den Köpfen nicht weniger Menschen, ob es Esoteriker sind, die sich von den Geistern der Verstorbenen umstellt sehen, Anhänger von Voodoo-Kulten, Christen und Muslime, die sich vor dem Wirken des Teufels und vor Dämonen fürchten usw.
Kanaan soll hier nun lediglich als Beispiel für die gesamte Menschheit dienen13:
"Seit die Israeliten in das Licht der Geschichte getreten sind, spielten Magie und Dämonenglauben bis zum Ende der Staatlichkeit Judas 135 n. Chr. stets eine nicht zu unterschätzende Rolle und dies trifft ohne Einschränkung auch auf die Religionen und Kulte der anderen Völker des gesamten Vorderen Orients zu.
Fohrer14 schreibt dazu (S. 149): 'Zwar verfemte die Jahwereligion magische Praktiken (vgl. Ex20,7; 22,17; I Sam28,9, in späterer Formulierung Lev20,27; Dtn18,10 ff.), aber im täglichen Leben war die Abwehr oft gering.
Wie die Kanaanäer witterte der Israelit überall Dämonen - nicht nur in der Wüste, sodass ein jährliches Abwehropfer für einen von ihnen erforderlich schien (Lev16), sondern auch im Kulturland, wo die Fruchtbarkeit der Felder, die Sicherheit des Hauses und die Gesundheit des Menschen wenigstens teilweise von ihnen abhingen. Es gab Männer und Frauen, die sich auf das gefährliche Handwerk verstanden, auf solche Mächte Einfluss zu gewinnen oder sie sich dienstbar zu machen. Die zahlreichen Namen, die das Alte Testament für sie verwendet, zeigen die Vielgestaltigkeit dieser Gruppe. Sie konnten Krankheiten beschwören, Menschen bannen und lösen, Unglückstage herbeiführen, Regen machen und Totengeister befragen. Das Volk hielt von magischen Praktiken wahrscheinlich mehr, als man gewöhnlich annimmt. Man fürchtete sich vor der ständigen Bedrohung durch die Dämonen und die zauberischen Kräfte des Nachbarn. Daher nahm man magische Handlungen vor, um sich selbst zu schützen und dem anderen zu schaden. In manchen Psalmen scheint noch die Ansicht durchzuschimmern, dass das über einen Menschen hereingebrochene Unheil aus einem Zauber stammt, der durch einen Gegenzauber gebrochen werden muss. Auch Ausgrabungen haben mancherlei zutage gefördert: Fluch-Tafeln, die Verwünschungen des Feindes enthalten; kleine Figuren mit umwickelten Händen und Füßen, wodurch der damit gemeinte Feind durch Gefängnis, Krankheit oder Tod gebunden werden sollte; zahlreiche Amulette wie blaue Perlen gegen den bösen Blick, silberne Händchen zur Bewahrung der Kinder und Symbole von Göttern oder Dämonen zur Versicherung ihres Schutzes. Und wie in der Frühzeit galten die magische Kraft des Wortes in Segen und Fluch sowie die magische Kraftwirkung der Leiche, gegen die man sich durch Trauerbräuche schützte, weiter. So war das tägliche Leben der Israeliten von einer großen Zahl magischer Handlungen erfüllt [...].'
'Die wichtigsten im Alten Testament erwähnten Dämonen sind (ohne Unterscheidung zwischen vor- und nachexilischer Zeit): 1. die haarigen, bocksgestaltigen Felddämonen ([…] Lev17,7; II Reg8 cj.; Jes13,21; 34,14; II Chr11,15); 2. die Schwarzen, d. h. die Unheimlichen, wohl abgesunkene heidnische Götter (Dtn32,17; Ps106,37); 3. die Trockenen an den wasserlosen Plätzen (Jes13,21; 34,14; Jer50,39), wobei die gleichzeitig genannten Wüstentiere anscheinend als Dämonen in Tiergestalt gedacht sind; 4. Azazel, ein in der Wüste hausender Dämon, der als Empfänger des Sündenbocks im Ritual des großen Versöhnungstages galt (Lev16); 5. die bei Tag und Nacht wirkenden Krankheitsdämonen (Ps91,5 f.); 6. Lilit, die ursprünglich wohl ein assyrischer Sturmdämon war und dann wegen des Anklangs an das hebräische Wort ›Nacht‹ als Nachtdämon betrachtet wurde. Größere Bedeutung als im Alten Testament hat der Dämonenglaube im späteren Judentum gewonnen.' (Fohrer, S. 170/1)
'Als Gegenmittel gegen magische Einwirkungen dienen seit alters Amulette, die nicht nur in Palästina, wo sie bei Ausgrabungen oft gefunden worden sind, sondern auch im nomadischen Bereich bekannt waren.' (Fohrer, S. 20)"
Auch hier sei wieder darauf hingewiesen: All diese übernatürlichen Wesen entspringen dem menschlichen Bewusstsein, das seinen Sitz im Gehirn hat, es sind Geister aus dem Geiste des Menschen.
Die Welt der Mythen, Märchen und Legenden, ihre Tradierung und Bedeutung für die Menschen
Begeben wir uns zurück ans Lagerfeuer unserer steinzeitlichen Vorfahren und lauschen den Geschichten der Großmutter. Sie erzählt gerade, wie die Welt entstanden ist. Die Kinder lauschen gebannt und nehmen begierig jedes Wort der Alten auf. Woher weiß die Großmutter das? War sie denn bei der Entstehung der Welt dabei? Wohl kaum. Hat ihr das der Schöpfergott ins Ohr geflüstert? Wohl kaum. - Sie hat die Geschichte schlicht und einfach von ihrem Großvater, der sie am Lagerfeuer erzählt hat, als sie selbst als Kind gebannt seinen Worten lauschte. Und dieser hat sie wiederum von seinem Großvater, der... - Gehen wir weiter zurück in der Stammesgeschichte, so werden wir irgendwann auf den Urheber dieser Geschichte stoßen: einen Menschen mit einer lebhaften Fantasie und einem ausgesprochenen Talent zum Geschichtenerzählen. Der hat die Geschichte in die Welt gesetzt und die anderen haben sie wieder der nächsten Generation weitererzählt und so fort.
Nun sollte man nicht glauben, dass die Geschichte stets wortwörtlich korrekt weitergegeben wurde. Variationen schlichen sich ein; Ideen nachfolgender Erzähler veränderten die Geschichte: Neue Personen wurden eingeführt, andere verschwanden; einer hatte den Schalk im Nacken und gab der Geschichte eine witzige Wendung; ein anderer wollte dem Nachbarstamm eins auswischen und ließ deren Vorfahren von den Hunden abstammen; wieder ein anderer wollte mit seinen Urahnen angeben und blähte sie zu Helden auf, die unglaubliche Taten vollbracht haben; einer seiner Ahnen sei sogar in den Himmel aufgenommen worden... Auf diese Weise formten sich über die Generationen die Mythen eines Stammes, die religiösen Mythen, die Religion. Und wenn Lessing in seinem dramatischen Gedicht "Nathan der Weise" Sultan Saladin Nathan auffordern lässt, ihm die wahre Religion zu nennen, so lässt Lessing Nathan völlig zutreffend antworten:
"Denn gründen alle [Religionen] sich nicht auf Geschichte?
Geschrieben oder überliefert! - Und
Geschichte muss doch wohl allein auf Treu
Und Glauben angenommen werden? - Nicht? -
Nun, wessen Treu und Glauben zieht man denn
Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen?
Doch deren Blut wir sind? doch deren, die
Von Kindheit an uns Proben ihrer Liebe
Gegeben? die uns nie getäuscht, als wo
Getäuscht zu werden uns heilsamer war? -
Wie kann ich meinen Vätern weniger
Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. -
Kann ich von dir verlangen, dass du deine
Vorfahren Lügen strafst, um meinen nicht
Zu widersprechen? Oder umgekehrt.
Das Nämliche gilt von den Christen. Nicht?"
Dritter Aufzug, siebenter Auftritt
Aus diesem Grund ist die Religion bei vielen Menschen ein wesentlicher Bestandteil ihrer eigenen Identität, den sie um keinen Preis der Welt aufzugeben bereit sind. Ihre Religion ist untrennbar verwoben mit ihrer Sozialisation. Sie ist verbunden mit ihrer Heimat, in der sie aufgewachsen sind, wo sie von ihrer Mutter, ihrem Vater, ihrer Familie in die Welt eingeführt worden sind. Dort wurden sie von ihren Eltern und Geschwistern geprägt, aber auch von der natürlichen Umwelt, dem nahegelegenen Wald, dem Bach im Talgrund, der Bergsilhouette in der Ferne, der alljährlichen Abfolge der Jahreszeiten, dem Vogelgezwitscher usw. Sie wurden auch geprägt von den Festen, die sie mitfeiern lernten, dem Weihnachtsfest, Fasching, Ostern usf. Sie haben über die Jahre ihren Wohnort erkundet, erst ihre Straße, dann ihr Viertel, schließlich ihre Gemeinde. Sie haben Nachbarskinder kennengelernt, mit ihnen gespielt und gestritten, sie lernten den Postboten kennen, den Eismann, die lokale Fußballmannschaft, die Jugendgruppe ihre Kirchengemeinde usw. usf. Hier wurde ihre Identität, ihr Charakter, ihre Mentalität, ihr Weltbild, hier wurden ihre Einstellungen geprägt. Sie entwickelten ein Gefühl der (Gruppen-) Zugehörigkeit, der Vertrautheit, Geborgenheit und Sicherheit.
Die Gruppe hat ihnen ihren Dialekt beigebracht, ihnen wurde gesagt, Frauen und Alte seien besonders schutzbedürftig, weshalb man auf sie ganz besonders Rücksicht nehmen solle; sie lernten zu grüßen und zu danken, sie wurden mit ihren heimischen Speisen vertraut, in der Schule lernten sie ihre Kultur kennen und ganz allmählich waren sie vollwertige Mitglieder ihrer Gemeinschaft geworden. Sie kannten ihre Gruppe, ihre Sprache, ihre Sitten und Gebräuche, ihre Institutionen und Gesetze, ihre Geschichte, ihr Territorium und sie fanden einen Platz in ihr.
Deshalb ist es für Menschen mit normaler Sozialisation nahezu unmöglich, ihre Religion - das vertraute Erbe ihrer Vorfahren - aufzugeben. Nur auf ganz wenige trifft zu, was Lessing Sultan Saladin zu Nathan sagen lässt: "Ein Mann, wie du, bleibt da nicht stehen, wo der Zufall der Geburt ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt, bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern." (Nathan, 3. Aufzug, 5. Auftritt) Die große Masse der Gläubigen hinterfragen ihre ererbte Religion nicht, wollen sie nicht hinterfragen, denn die Angst, ihre Religion zu verlieren, ist bei vielen übermächtig. Ihre Religion aufzugeben erschiene ihnen wie ein ungeheuerlicher Verrat an allem, was ihnen sonst noch heilig ist: Ihrer Mutter, ihrem Vater, ihrer Familie, ihrem Freundeskreis, ihrer Heimat, ihrer Kultur, ihrer Geschichte - ihrer Identität. Deswegen schrecken die meisten Menschen wie panisch vor allem zurück, was geeignet sein könnte, bei ihnen Zweifel an ihrer Religion aufkommen zu lassen. Sie fürchten, am Ende in einen schwarz gähnenden Abgrund zu stürzen, denn sie ahnen: "Leben ohne Religion macht für Wahnsinn anfällig. [...] Ebenso lauert die Verzweiflung." (Mess, S. 652) Das kann man verstehen.
Und noch mehr Götter und Mythen
Kehren wir wieder zurück zu unserer Steinzeithorde, ihren Göttern, Geistern und Dämonen. - Man kann ihnen nicht vorwerfen, sie seien kleinlich gewesen. Hatte man erst einmal einen Grundbestand an Göttern beisammen, fiel es nicht mehr schwer, bei Bedarf weitere Götter zu generieren; später perfektionierten die Athener das geradezu, indem sie sicherheitshalber einen Altar mit der Aufschrift "Dem unbekannten Gott" aufstellten. Man konnte ja nie wissen… Es genügt jedoch nicht, viele Götter zu haben, man musste ihnen auch eine Vita verpassen, sie charakterisieren, ihnen ein Profil verleihen, Verwandtschaften unter ihnen herstellen - denn: Wenn die Kinder nachfragten, wollte man ihnen eine vernünftige Antwort geben können - noch dazu, wo doch gerade Kinder schöne Geschichten lieben. Und so erfinden unsere Steinzeit-Omas, -Opas und -Schamanen munter Geschichten, um den Wissensdurst ihrer Nachkommenschaft zu befriedigen, Geschichten, die dann als Mythen oft bis in unsere Zeit überliefert wurden. Häufig handelt es sich bei diesen Geschichten um ätiologische Erzählungen, das heißt, sie erklären (der fragenden Nachkommenschaft) vorgefundene Dinge, Erscheinungen und Verhältnisse, wobei man in der Regel davon auszugehen hat, dass diese Erklärungen heutigen wissenschaftlichen Nachprüfungen nicht standhalten; es sind eben fantasievolle Erklärungsversuche kreativer Menschen. Nicht nur ihre Götter werden auf diese Weise in mythische Erzählungen eingebettet, auch Naturerscheinungen oder vorgefundene Kulturreste, Sitten und Gebräuche des Stammes, Orts- und andere Namen werden der Nachkommenschaft mit einer Geschichte erklärt. So wird beispielsweise "das Ausruhen des Gottes Jahwe am siebten Tag [in der biblischen Schöpfungsgeschichte des 1. Buches Mose] als ätiologische Legende für die jüdische Sabbatruhe an Samstagen gesehen. Die biblische Erzählung von der Jakobsleiter (Gen28,10 - 22) gilt als ätiologische Kultlegende zur Begründung von Bethel als altem Kultort: Nach dem Erwachen aus seinem Traum nennt Jakob den Platz Bet-El 'Haus Gottes'. Als eine Ätiologie für ein Naturereignis gilt die Erzählung von Noach am Ende der biblischen Sintflut: Jahwe schließt einen Bund mit Noach und setzt den Regenbogen als Bundeszeichen in die Wolken [Gen9,12 - 17]."15 Die von den Israeliten vorgefundenen Trümmer der Stadt Jericho werden mit der Geschichte von der Einnahme Jerichos durch die Israeliten unter Joshua erklärt (Jos6,1 - 26).
Dabei gilt es zu bedenken, dass die jeweilige mündliche Weitergabe dieser Geschichten "je nach Gutdünken der Individuen und den Umständen, unendlich variabel" war (Mess, S. 47), und in der großen Bertelsmann-Mythologie16 heißt es (S. 15): "Vielmehr haben uns Untersuchungen von Agrar- und Stammesgesellschaften überall dort, wo Mythen noch 'lebendig' sind, die Dynamik und den wandelbaren Charakter mündlichen Erzählens bewusst gemacht. In gewisser Weise ist jede Wiedergabe eines Mythos oder eines Volksmärchens eine Neuschöpfung. Der Augenblick der Schöpfung ist das Erzählen: Eine mündliche Dichtung wird nicht für den Vortrag, sondern während des Vortrags geschaffen." Dabei gab es Erzählerinnen und Erzähler, welche sehr schöne Mythen geschaffen haben, aber auch solche, welche mit ihren Mythen ihren Stamm, ihr Volk in der Folge in Schwierigkeiten brachten. Ein Beispiel dafür sind die Yanomami Südamerikas. Sie verstehen sich selbst als das "wilde Volk" und glauben aufgrund ihrer Mythen, "das Blut Periboriwas (des Mondgeistes) habe sich über die Erde ergossen und sich in Verbindung mit der Erde in Menschen verwandelt. So aus Blut geboren, betrachten sich die Yanomami als von Natur aus böse und führen ständig Krieg gegeneinander." (Myth, S. 263) Man kann sich vorstellen, dass dadurch die Yanomami bei Nachbarvölkern nicht übermäßig beliebt waren.
Die Zahl der Geschichten, der Mythen, Märchen, Sagen und Legenden, welche die Menschheit im Laufe der Jahrtausende hervorgebracht hat, ist Legion und könnte locker ganze Büchereien füllen. Vieles ist im Laufe der Geschichte verloren gegangen, vieles ist aber auch - als die Schrift aufkam - fixiert und tradiert worden. Dies bedeutet natürlich auch, dass die Stoffe inhaltlich gerinnen, ihre Umformung nur noch in begrenztem Maße möglich ist und Texte - im Extremfall - als "heilige Bücher" nahezu unantastbar werden. Wer kennt nicht die griechischen Sagen oder die Götterwelt der alten Ägypter? Wer kennt nicht die Mythen der Bibel? Welchem Asiat wäre nicht das Mahabharata oder das Ramayana geläufig? Oder die Legenden um Buddha?
Schamanen und Priester vermitteln zwischen den Gläubigen und den Göttern, Geistern und Dämonen
Hand in Hand mit der Entstehung einer Götter-, Geister- und Dämonenwelt und ihrer Einbettung in Mythologien geht die Herausbildung einer Schamanen- und Priesterschicht, die vorgibt, Verbindung mit diesen übernatürlichen Mächten aufnehmen zu können, diese beeinflussen, besänftigen und gnädig stimmen zu können.
Dämonen können Menschen befallen; dann werden diese Menschen krank. Will man sie wieder gesund machen, muss man den Dämon aus dem Patienten austreiben. Geister können sich im Haus eingenistet haben und die Bewohner belästigen. Tote können als Wiedergänger (Zombies) aus dem Grab steigen und den Lebenden gefährlich werden. Um mit solchen Dämonen, Geistern und Untoten fertig zu werden, bedarf es eines Spezialisten, einer Schamanin oder eines Schamanen. Praktisch in jedem Stamm auf der Erde fanden und finden sich "Fachleute", die den anderen Stammesmitgliedern glaubhaft machen konnten, dass sie in der Lage wären, mit Dämonen, Geistern, Untoten etc. fertig zu werden. Dazu kreierten sie besondere Kostüme, behängten sich mit Amuletten, bemalten ihr Gesicht, versetzten sich in Trance, ersannen geheimnisvolle Rituale, vollführten Tänze, schlugen Trommeln. Das beeindruckte - besonders, wenn die Kranke wieder genas, das nächtliche Gepoltere im Haus nicht mehr auftrat und man nicht mehr fast jede Nacht im Traum von dem erst kürzlich verstorbenen Onkel heimgesucht wurde. Natürlich erwartete der Schamane für seine Dienste eine Bezahlung und wenn er viel "Arbeit" hatte, brachte ihm sein "Job" einen auskömmlichen Unterhalt ein.
Nämliches gilt auch für eine Priesterschaft - und noch viel nachdrücklicher. Sind einmal Götter da, treten auch Stammesmitglieder auf, die vorgeben, sie verstünden es, als Mittler zwischen diesen Göttern und den gläubigen Stammesgenossen zu fungieren, die als Priester für die Gläubigen Rituale zelebrieren, behauptend, sie könnten mit diesen die Stimmung der Götter beeinflussen: sie besänftigen, sie gnädig stimmen, sie dazu bringen, dem bittenden Gläubigen dessen Bitte zu erfüllen. Natürlich bedarf es dafür auch und gerade entsprechender Opfergaben für die Götter, die selbstredend von den Gläubigen zu stellen sind. Und ein nicht geringer Anteil geht an den Priester. Dazu kommt, dass ein Priesteramt in der Regel mit einem hohen Ansehen in der Gesellschaft verbunden ist. Im alten Babylon und im alten Ägypten hatten die Priester zudem einen enormen Einfluss auf den Herrscher und verfügten somit über viel Macht. Bei solchen Verhältnissen ist es kaum verwunderlich, dass es immer wieder zu Kämpfen um Einfluss und Pfründe unter rivalisierenden Priestergruppen kam.
Schamanen und Priester verstehen sich auf ihren Vorteil
Exemplarisch lässt sich dies an den Verhältnissen in Kanaan im ersten Jahrtausend v. Chr. studieren. Dort existierten seit 931 v. Chr. das jüdische Nordreich Israel und das jüdische Südreich Juda. Bei diesem eisenzeitlichen Brüderpaar Israel und Juda handelte es sich um recht unterschiedliche Brüder und ihr Verhältnis war von Konkurrenz und - was Juda betrifft - durchaus auch von Neid und Missgunst geprägt.
Das wird besonders im Bereich der Religion deutlich. Während in Israel El bzw. Elohim als Gott verehrt wurde, hieß derselbe Gott in Juda Jahwe. In beiden Königreichen vermittelten Priester den Kontakt zwischen den bittenden Gläubigen und ihrem Gott. Die Priester zelebrierten für die Gläubigen Rituale, brachten Gott die Opfertiere der Gläubigen dar und lebten - auch hier - nicht schlecht von diesen Opfergaben der Gläubigen. Priester zu sein verlieh auch in Israel und Juda Macht, Einfluss, Einnahmen und Wohlstand. Priester wurde man dort nicht aufgrund einer Wahl durch die Gläubigen, nicht durch eine Ausbildung, die man mit einer Prüfung abschloss, oder Ähnlichem - Priester war man, wenn man in ein Priestergeschlecht hineingeboren wurde. Das Priesteramt war mit bestimmten Priesterfamilien verbunden und daher erblich. Dazu gab es in Israel und Juda bestimmte Orte - sozusagen spirituelle Zentren -, wo unterschiedliche Priestergeschlechter der Gottheit die Opfergaben der bittenden Gläubigen darbrachten, etwa so wie Wallfahrtsorte. Solche Orte waren beispielsweise Silo, Bethel (Beth-El), Sichem und Jerusalem mit seinem Tempel.
"Es hatte in Israel und Juda [...] mehrere unterschiedliche Priesterkreise gegeben. In Jerusalem amtierte eine Priesterschaft, deren Angehörige als Nachkommen Aarons galten. In Beth-El amtierten Priester, die von König Jerobeam ernannt worden waren. Außerdem gab es die [musitischen] Leviten des nördlichen Königreiches, die in Silo amtiert hatten [und sich direkt auf Moses zurückführten]. Es gab die ländlichen Leviten, den Ortsklerus, der während der längsten Zeit der Geschichte Israels und Judas auf den verschiedenen Höhen [kleinere örtliche Heiligtümer] amtierte."17 Von all diesen Priestergruppen waren die zwei bedeutendsten Gruppen die aaronitische Priesterschaft am Jerusalemer Tempel, dem zentralen Heiligtum des Südstaates Juda, und die musitischen Leviten in Silo, einem zentralen Heiligtum des Nordstaates Israel. Die israelischen Leviten aus Silo hatten eine (Ur-) Thora geschrieben (E-Autor), welche den heutigen ersten vier Büchern Moses entspricht, und die aaronitische Priesterschaft hatte eine (Ur-) Thora geschrieben (J-Autor). Diese beiden Fassungen konkurrierten miteinander, solange es den Nordstaat Israel gab. Man "beharkte" sich darin gegenseitig. Die musitisch-levitische Fassung versuchte der aaronitischen Priesterschaft ans Bein zu pinkeln, die aaronitische Fassung versuchte den Leviten aus Silo ans Bein zu pinkeln. Hier einige wenige Beispiele dazu:
"Wie kam Israel zu Sichem [einer Stadt und einem wichtigen Heiligtum in Israel]? Durch Kauf, berichtet der E-Autor; durch ein Blutbad, so der J-Autor." (Friedman, S. 80)
"Über Juda sagt er [der J-Text] dagegen:
Juda, du bist's; dich werden deine Brüder loben ...
vor dir werden deines Vaters Kinder sich neigen.
Laut J erhält also Juda das Erstgeburtsrecht.
Und wie steht es bei E? [...] Ephraim wird größer werden." (Friedman, S. 82)
"Die Wortwahl in E scheint auf eine Beschimpfung von Juda und seiner Königsfamilie zu zielen." (Friedman, S. 84)
"Wie wir wissen, wurde die Bundeslade als der zentrale Gegenstand von Salomos Tempel in Jerusalem angesehen. Daher überrascht es nicht, dass sie in J einen so hohen Stellenwert einnimmt, in E wird sie aber überhaupt nicht erwähnt.
E misst dagegen der Stiftshütte als Symbol der Gegenwart Gottes unter seinem Volk große Bedeutung bei. Die Stiftshütte war den Büchern Samuel, Könige und Chronik zufolge die wichtigste Anbetungsstätte des Volkes, bis Salomo das Altarzelt durch den Tempel ersetzte. Zum anderen war die Stiftshütte ursprünglich mit der Stadt Silo verbunden. Berücksichtigt man die anderen Beweise für eine Verbindung zwischen dem Autor von E und der Priesterschaft von Silo, kann es also kaum überraschen, dass die Stiftshütte bei E eine so große Bedeutung besitzt, bei J aber überhaupt nicht erwähnt wird." (Friedman, S. 96)
"Es kommt in der Erzählung jedoch klar zum Ausdruck, dass Aaron gesündigt hat, dass Gott über Aaron erzürnt ist (Vers 9) und dass Moses Gotteserfahrung über der von Aaron steht. Das entspricht ebenfalls dem Interesse von E, die aaronitische Priesterschaft in Juda herabzusetzen. Sowohl hier als auch in der Erzählung vom Goldenen Kalb nennt Aaron Mose respektvoll 'mein Herr' und erkennt damit Moses Überlegenheit an." (Friedman, S. 100)
Nun muss man wissen, dass die Leviten von Silo in ihren Augen ungerecht behandelt worden waren: Einmal: Der Priester Abjatar, auf den sich die Leviten von Silo zurückführen, gehörte nach 2Sam 8,17; 2Sam 20,25 und 1Chr 18,16 während der Königsherrschaft Davids in Jerusalem zu Davids wichtigsten Beamten. Neben dem aaronitischen Priester Zadok bekleidete der musitische Abjatar das Amt des Oberpriesters am Jerusalemer Tempel. Bei den Auseinandersetzungen um den Nachfolger Davids auf dem Königsthron ergriff Abjatar jedoch Partei für Salomos Halbbruder Adonija gegen Salomo, stand also damit - aus historischer Perspektive - auf der falschen Seite. Salomo machte der Verschwörung ein Ende, schenkte aber Abjatar wegen seiner Treue zu Salomos Vater David als Einzigem das Leben. Abjatar geht jedoch seines Hohenpriesteramtes verlustig und muss Jerusalem verlassen; er wird auf seinen Familienbesitz nach Anatot verbannt.18
Zum zweiten: Jerobeam I., König des Nordreiches Israel (931 - 909 v. Chr.), "erbaute die Heiligtümer von Bet-El und Dan und ließ dort goldene Kälber aufstellen (1 Kön 12,29 EU)"19.
Dies sollte wohl zum einen den Pilger-Tourismus ankurbeln und damit die lokale Wirtschaft stärken und Geld in die Staatskasse spülen, zum anderen versprach sich Jerobeam dadurch eine Aufwertung seines Königreiches. Die rechtmäßige Priesterschaft dieses Nordstaates Israel, die Leviten von Silo, erwartete nun, dass Jerobeam sie zu Priestern dieser neuen Heiligtümer ernennen würde. Jerobeam setzte dort jedoch Leute als Priester ein, die keine Leviten waren, was die Leviten von Silo zutiefst kränkte.
Ein Widerschein dieser ganzen Vorgänge findet sich in der (Ur-) Thorafassung des E-Autors vom Nordreich Israel:
"Warum lässt der Autor [E] Mose die Tafeln mit den zehn Geboten zerschmettern [Ex 32,19]? Möglicherweise, weil damit Zweifel an Judas zentralem Heiligtum geweckt wurden. Der Tempel in Juda beherbergte die Bundeslade, in der sich die beiden Tafeln mit den Zehn Geboten befinden sollten. Nach der E-Erzählung vom goldenen Kalb zerschmettert Mose die Tafeln. Das heißt, dass der Quelle E zufolge die Bundeslade dort unten im Süden, im Tempel von Jerusalem, entweder nicht die authentischen oder überhaupt keine Tafeln enthält.
Mit der Geschichte vom goldenen Kalb [Ex 32,1 - 6] griff der Autor von E sowohl das israelitische als auch das judäische religiöse Establishment an. Beide hatten seine Gruppe [die Leviten] ausgeschlossen. Man könnte die Frage stellen, warum dann dieser Autor in anderen Erzählungen Jerobeams Königreich in so günstigem Licht darstellte. Warum begünstigte er die Städte Sichem, Peniel und ganz besonders Beth-El? Warum bevorzugte er den Stamm Ephraim? Erstens, weil Silo in Ephraim lag und weil dessen großer Priester Samuel aus Ephraim stammte. Und zweitens, weil das Königreich Israel politisch wahrscheinlich die letzte Hoffnung des Autors darstellte. Er konnte auf den Tag hoffen, an dem die unrechtmäßigen, nicht-levitischen Priester in Beth-El verworfen und die Seinen, die Leviten, wieder installiert würden. Juda und Jerusalem boten zu jener Zeit keine solche Hoffnung. Die Priester aus Aarons Familie waren dort seit Salomos Zeiten fest etabliert. Sie waren Leviten und damit nicht weniger legitim als die Priester von Silo. Durch Politik und Heirat waren sie der königlichen Familie eng verbunden. Die einzige realistische Hoffnung lag für die Priester von Silo im nördlichen Königreich. Die Quelle E begünstigte daher die politische Struktur dieses Königreiches, während sie gleichzeitig sein religiöses Establishment angriff." (Friedman, S. 94/5)
Wie oben bereits angedeutet, gab es in Kanaan eine Vielzahl von Heiligtümern der unterschiedlichsten Art nicht nur für den israelitischen Gott Jahwe, sondern daneben noch für eine Vielzahl anderer Göttinnen und Götter; diese Heiligtümer waren in der Regel Höhenheiligtümer, also Heiligtümer, die auf Erhebungen oder in Bergsätteln lagen. Ihre Ausstattung reichte von einfachen Opferplätzen unter freiem Himmel bis zu religiösen Zentren mit Tempeln und ausgedehnten Anlagen. Neben den Kulten der Familien, die zu Hause ihre persönlichen Götter und Ahnen verehrten, gab es eine Vielzahl von kleineren, einfachen Höhenheiligtümern, die Bestandteil des normalen örtlichen Lebens eines Dorfes waren; größere und aufwändigere Höhenheiligtümer mit regionaler Ausstrahlung lagen in der Nähe von Städten und waren auf diese bezogen. Schließlich gab es große, überregionale Staatsheiligtümer wie beispielsweise Sichem, Beth-El, Dan oder den Tempel in Jerusalem, für deren Kult der König verantwortlich war. "Hier sorgte er in Verantwortung gegenüber den Staatsgöttern für die gemäße kultische Verehrung und sichert so das Wohl seines Landes."20
"Auf den Höhen feierte man jahreszeitliche Feste wie Erntedank und brachte Schlachtopfer dar."21 Die lokalen Heiligtümer wurden, ebenso wie diejenigen kleinerer Städte, anlassbezogen, also sporadisch, genutzt, während die überregionalen Heiligtümer einen permanenten Opferbetrieb boten.
Jedem Heiligtum war ein Priester bzw. eine Priesterschaft zugeordnet, wobei der Erwerb ihres Lebensunterhaltes genau festgelegt war. So erhielten beispielsweise die Priester am Jerusalemer Tempel, die für die Gläubigen die Opferrituale am Altar vollzogen, in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. von den Gläubigen einen bestimmten Anteil an den Opfergaben: "[...] als ständige Abgabe die sogenannten 'Erstlinge' der Bodenfrüchte - Getreide, Wein, Feigen, Honig, Oliven, Granatäpfel - und das 'Beste' der Feldfrüchte; dies dürfte etwa 2 % der Ernte ausgemacht haben. Hinzu kam jede männliche Erstgeburt, die in Geld abgelöst wurde. Die Priester erhielten weiterhin einen Teil der bei der Schafschur gewonnenen Wolle, einen Anteil vom Brotteig - von Privatpersonen wie von Bäckern -, Anteile von profanen Schlachttieren [die also nicht als Opfertiere geschlachtet wurden], während ihnen die Sühne- und Schuldopfer ganz gehörten. Die Schaubrote [im Tempel] standen ihnen zu, der größte Teil der Getreideopfer und von den Brandopfern die Felle. Die Naturalien konnten verkauft werden; hinzu kam, dass die Priester Befreiung von einigen wichtigen Steuern erhalten hatten."22
Die Verhältnisse waren aber für die Priester im achten und siebten Jahrhundert v. Chr. noch längst nicht so lukrativ wie später. Bei den vielen Heiligtümern im ganzen Land - nicht nur für Jahwe, sondern auch für Baal, Aschera, Yam, Aschtar und wie sie alle hießen - kam zum Beispiel der Priester eines kleinen Ortsheiligtums kaum auf einen grünen Zweig und durch die Fülle an Heiligtümern verdienten alle Priester nach ihrem Dafürhalten zu wenig. Es war so, als wenn es in einer heutigen Einkaufszone auf 800 Meter vier Einkaufszentren geben würde: Kein Einkaufszentrum könnte schwarze Zahlen schreiben. Verschwänden drei davon, würde das übrigbleibende gute Geschäfte machen. Was also war zu tun? Sowohl die Leviten im Nordreich Israel als auch die Tempelpriesterschaft am Jerusalemer Tempel drängten ihre Könige, die vielen Heiligtümer im Land zu schließen und nur noch ein zentrales Heiligtum bestehen zu lassen (an dem sie natürlich die Priester waren!). Das aber musste man schlüssig begründen, denn welcher Herrscher verdirbt es sich schon mit einem Großteil seiner Untertanen, indem er ihre Heiligtümer zerstört und sie zwingt, zur Opferung viele Kilometer zu dem zentralen Heiligtum zu pilgern, dort für teueres Geld ein Opfertier zu erstehen, um es dort opfern zu lassen?
Die Lösung: Gott/Jahwe verlangt es so (welcher Herrscher würde es wagen, Gott zu widersprechen?!). Also legten die Herren über das Wort, die Priester, Jahwe (der ohnehin letztlich ihre Schöpfung war) all das in den Mund, was die Priester von ihren Herrschern forderten: Zentralisierung des religiösen Kultus an einem Ort, Zerstörung aller anderen Heiligtümer im Land; und so lässt man Jahwe sagen: "Du sollst neben mir keine anderen Götter haben." (Ex 20,3), und da das bedeutet, dass man sich mit den nicht-israelischen Völkerschaften Kanaans anlegt, lässt man Jahwe auch gleich fordern, diese mit Mann, Frau, Kind und Maus auszurotten: "Sihon rückte mit seinem ganzen Volk gegen uns aus, um bei Jahaz zu kämpfen. Der HERR, unser Gott, lieferte ihn uns aus. Wir schlugen ihn, seine Söhne und sein ganzes Volk. Damals eroberten wir alle seine Städte. Wir vollzogen an ihrer ganzen Bevölkerung den Bann, auch die Frauen samt Kindern und Alten; keinen ließen wir überleben." (Dtn2,32 - 34)
"Dann wendeten wir uns dem Weg zum Baschan zu und zogen hinauf. Og, der König des Baschan, rückte mit seinem ganzen Volk gegen uns aus, um bei Edreï zu kämpfen. Der HERR sagte zu mir: Fürchte ihn nicht, denn ich gebe ihn, sein ganzes Volk und sein Land in deine Hand. Tu mit ihm, was du mit Sihon getan hast, dem König der Amoriter, der in Heschbon seinen Sitz hatte! Und der HERR, unser Gott, gab auch Og, den König des Baschan, und sein ganzes Volk in unsere Hand. Wir schlugen ihn und ließen keinen überleben. Damals eroberten wir alle seine Städte. Es gab keine befestigte Stadt, die wir ihnen nicht genommen hätten: sechzig Städte, den ganzen Bezirk von Argob, das Königreich des Og im Baschan." (Dtn 3,1 - 4)
Um mehr Einnahmen zu bekommen, um reich zu werden, um mehr Macht und Einfluss zu erhalten, gestalteten die schriftstellernden Kreise der Priesterschaft den Bibeltext zu einer Anleitung zum Massenmord, formten sie ihren Gott Jahwe zu einem brutalen, gnadenlosen Monster (was tut man nicht alles fürs Geld...).
Im Buch der Könige (1 und 2) werden die Könige Israels und Judas in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe sind die Könige, unter denen religiöse Vielfalt, gegenseitige Toleranz und Integration in die "Weltwirtschaft" herrschten - unter vielen dieser Herrscher blühte der Handel, boomte die Wirtschaft, kam es zu regem kulturellen Austausch -, die andere Gruppe sind die Könige, die radikal gegen die Heiligtümer im Land vorgingen und diese zerstörten, welche die Priester kanaanäischer Kultstätten abschlachten ließen und die Priester von Jahwe-Kultstätten zur zentralen Kultstätte des Landes beorderten, wo sie dem Priester-Establishment Hilfsdienste zu leisten hatten. Die erste Gruppe von Königen waren die Bösen, jene, die Jahwe angeblich überhaupt nicht mochte und derentwegen er das Volk züchtigte, die zweite Gruppe der Könige waren die Guten, jene, die angeblich Wohlgefallen bei Jahwe fanden. Dumm nur, dass es dem Land eher unter den Königen schlecht ging, welche Jahwe angeblich gefielen. - Die Wahrheit ist: Unter der ersten Gruppe der Könige ging es den Priestern an den Staatsheiligtümern eher bescheiden (deswegen waren die Könige böse), unter der zweiten Gruppe der Könige ging es den Priestern an der zentralen Kultstätte gut, ihre Einnahmen flossen reichlich, sie lebten im Wohlstand (deswegen waren die Könige gut).
Wie verheerend es sich auswirkte, wenn israelitische Herrscher den priestergesteuerten Anweisungen Jahwes folgten, sei an folgendem Beispiel gezeigt:
Im Nordreich Israel ließ man unter der Omriden-Dynastie (881 - 845 v. Chr.) aus politischen Gründen neben der Jahwereligion wieder die alten kanaanäischen Kulte aufleben, vor allem den Baalkult, wogegen sich anwachsend Widerstand der Jahwe-Anhänger entwickelte. "Die Gegner der Omriden schlugen los, als [König] Joram 842 das mittlerweile in den Besitz der Aramäer übergegangene Ramath in Gilead belagerte und sich dabei eine Verwundung zuzog. Während er sich auf dem Landgut der Familie in Jesreel erholte, ließ sich der Kommandant der vor Ramath liegenden Truppen, Jehu, zum König proklamieren." (Clauss, S. 48) Die restlichen Mitglieder der Omriden-Dynastie wurden ermordet, und "im 'Eifer für Jahwe' ließ er [Jehu] wahllos Priester und Gläubige [des Baalkultes] niedermachen" (Clauss, S. 49). Dies stieß die Kanaanäer, die etwa 50 Prozent der Bevölkerung ausmachten, dermaßen vor den Kopf, dass sie jede weitere Zusammenarbeit im Staat verweigerten (s. Clauss, S. 50), was ausgerechnet jetzt, wo die Assyrer sich anschickten, ihr Reich nach Westen auszudehnen, zu einer strategischen Schwächung Israels führte. Israel wird dann auch in der Folge von den Assyrern vereinnahmt, die israelische Oberschicht deportiert. "Auf dem ehemaligen Gebiet Israels wurden Bauern aus Babylon, dem nordsyrischen Hamath sowie Araber angesiedelt [...]. [...] Damit endete das Königreich Israel." (Clauss, S. 56/7)
Assyrien reagierte, wie nicht anders zu erwarten: Noch kurz vor seinem Tod nahm der Nachfolger von Tiglatpilesar III., Salmanassar V. (727 - 722), die Kapitulation Samarias entgegen und sein Nachfolger Sargon II. beendete als Strafaktion die Staatlichkeit Israels.
Und so kam es denn auch in der weiteren Geschichte des alten Israel immer dann, wenn die israelitischen Herrscher unabhängig agieren konnten und sich die Gebiete benachbarter Nationen einverleibten, aus religiösen Motiven heraus zu furchtbaren Metzeleien, wie wir oben bereits gesehen haben. Richtschnur: Psalm 79,6: "Gieße deinen Zorn aus über die Völker, die dich nicht erkennen, und über die Königreiche, die deinen Namen nicht anrufen!" oder Jesaja 63,6: "Da zerstampfte ich Völker in meinem Zorn, / machte sie trunken in meiner Wut / und ließ ihren Saft zur Erde rinnen." Auch bei prophetischen Visionen über eine messianische Endzeit konnten sich die meisten Propheten die außerjüdischen Völker der Erde nur als von Jahwe Besiegte und Unterworfene vorstellen; Beispiel: Jesaja (24,21 - 25,12) erwartete die Entmachtung der Feinde Jahwes unter Zerstörung ihrer Hauptstädte für die (noch lebenden) Völker und "an jenem Tag fordert der HERR Rechenschaft in der Höhe / vom Heer in der Höhe / und auf dem Erdboden von den Königen des Erdbodens. Sie werden gefesselt in einer Grube zusammengetrieben, / eingeschlossen in einem Kerker / und nach vielen Tagen wird er sie strafen." (Jes24,21/2) oder Sacharja 14,12: "Dies aber wird der Schlag sein, mit dem der HERR alle Völker schlägt, die gegen Jerusalem in den Krieg gezogen sind: Er lässt das Fleisch eines jeden verfaulen, noch während er auf seinen Füßen steht; und die Augen verfaulen ihm in ihren Augenhöhlen und die Zunge verfault ihm in seinem Mund." Oder im Deuteronomium lässt der Priester Jeremia Mose sagen (Dtn7,1 - 5): "Wenn der HERR, dein Gott, dich in das Land geführt hat, in das du jetzt hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, wenn er dir viele Völker aus dem Weg räumt - Hetiter, Girgaschiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, sieben Völker, die zahlreicher und mächtiger sind als du -, wenn der HERR, dein Gott, sie dir ausliefert und du sie schlägst, dann sollst du an ihnen den Bann vollziehen. Du sollst keinen Vertrag mit ihnen schließen, sie nicht verschonen und dich nicht mit ihnen verschwägern. Deine Tochter gib nicht seinem Sohn und nimm seine Tochter nicht für deinen Sohn! Wenn er dein Kind verleitet, mir nicht mehr nachzufolgen, und sie dann anderen Göttern dienen, wird der Zorn des HERRN gegen euch entbrennen und wird dich unverzüglich vernichten. So sollt ihr gegen sie vorgehen: Ihr sollt ihre Altäre niederreißen, ihre Steinmale zerschlagen, ihre Kultpfähle umhauen und ihre Götterbilder im Feuer verbrennen."
Jeremia lässt Mose sagen (Dtn12,5 - 6): "[...] ihr sollt nach der Stätte fragen, die der HERR, euer Gott, aus allen euren Stammesgebieten erwählen wird, indem er dort seinen Namen anbringt. Nach seiner Wohnung sollt ihr fragen und dorthin sollst du ziehen. Dorthin sollt ihr eure Brandopfertiere und Schlachtopfertiere bringen, eure Zehnten und das Hebeopfer eurer Hand, was ihr dem HERRN gelobt habt und was ihr freiwillig gebt, und die Erstlinge eurer Rinder, Schafe und Ziegen. Dort sollt ihr vor dem HERRN, eurem Gott, das Mahl halten." Gemeint ist Jerusalem. Es soll im Land nur eine einzige zentrale Anbetungs- und Opferungsstelle geben, den Tempel in Jerusalem. "So besagt beispielsweise das erste Gebot im Gesetzeswerk des Deuteronomiums, dass Gott nur an einem einzigen Ort Opfer dargebracht werden sollen. Und eben das hat Josia getan. Er ließ alle Kultstätten außerhalb des Tempels zerstören. Das aber sicherte den ganzen Einfluss und die gesamten Einnahmen aus der Religion der Jerusalemer Tempel-Priesterschaft, und es war ein Jerusalemer Tempelpriester, der das Buch fand." (Friedman, S. 133) Die Leviten, die an den zerstörten anderen Heiligtümern des Landes tätig gewesen waren, wurden allesamt nach Jerusalem an den Tempel beordert, wo sie fortan für die aaronitische Priesterschaft Hilfsdienste zu leisten hatten.
Ein weiteres Beispiel für die Skrupellosigkeit von Gottesdienern findet sich in einem chinesischen Märchen23: "Zur Zeit der sieben Reiche lebte ein Mann namens Si-Men Bau, der war Statthalter am Gelben Fluss. In jener Gegend wurde der Flussgott sehr verehrt. Es lebten Zauberer dort und Hexen [Schamanen?], die verkündeten: 'Der Flussgott will jedes Jahr ein Mädchen freien, die man unter dem Volke aussuchen muss, sonst kommen Wind und Regen nicht zur rechten Zeit, es gibt Überschwemmungen und Missernten.' Wenn nun in einem reichen Haus ein Mädchen war im richtigen Alter, so sprachen die Zauberer, die sei zu wählen. Die Eltern, die ihre Tochter schützen wollten, bestachen sie dann mit vielem Geld. So ließen sich die Zauberer denn erweichen und befahlen den reichen Leuten, Geld zusammenzuschießen, um ein armes Mädchen zu kaufen, die in den Fluss geworfen wurde. Das übrige Geld behielten sie als Gewinn für sich. Wer aber nicht bezahlen wollte, dessen Tochter ward zur Gattin des Flussgottes bestimmt, und man zwang sie, die Brautgeschenke anzunehmen, die die Zauberer ihr brachten. Das Volk der Gegend seufzte bitter unter diesem Brauch."
Wer die Mythen kontrolliert, kontrolliert die Macht - die "heiligen" Schriften
Man muss sich klarmachen, dass die Schöpfer dieser Mythen, die Priesterschaft, nicht nur das Recht und die Pflicht hatten, Bewahrer der Mythen und der Überlieferung der Geschichte des Volkes zu sein; wer das Recht hat, geschichtliche Geschehnisse aufzuschreiben, der hat letztlich auch die Macht, sie in seinem eigenen Sinne, zu seinem eigenen Vorteil zu gestalten. Wie schrieb Haffner? "Nicht alles, was je geschehen ist, wird Geschichte, sondern nur das, was Geschichtsschreiber irgendwo und irgendwann einmal der Erzählung für wert erachten. Erst Geschichtsschreibung schafft Geschichte."24 Und in Orwells Dystopie "1984" heißt es: "Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit" und "Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft".25 Die israelitische Priesterschaft wendete diese Lehren bereits im 8./7. vorchristlichen Jahrhundert gekonnt an: Sie modellierte nicht nur einen Gott Jahwe, sondern sie legte ihm auch alles in den Mund, was ihren eigennützigen Interessen dienlich war.
Und um ihre Pfründe und ihre Macht für sich und ihre Nachkommen auf "ewig" zu sichern, erklären Priestergeschlechter sowie die herrschenden Apologeten von Religionsgemeinschaften bzw. Kirchen dreist, all diese schriftlich (von ihnen) fixierten Texte hätte Gott den Schreibern eingegeben, sie seien von Gott inspiriert worden und deshalb seien diese Texte Worte Gottes und daher seien diese Texte "heilige Bücher", an denen irgendetwas zu verändern sich ja niemand unterstehen solle.
"Auf vergleichbare Art autorisieren viele Mythen bestimmte Gruppen, Institutionen, soziale Rangordnungen, Gesetze und Riten, moralische Regeln, Werte und Glaubensvorstellungen. In aller Welt erklären und sanktionieren Mythen Verwandtschaftsbeziehungen, Heiratsbräuche, Jagdtechniken und Viehzucht, Kunst und Kriegsführung, Opferriten, die Herrschaft von Königen und Häuptlingen, die Abhängigkeit der Frau und zahlreiche andere Aspekte der Gesellschaftsstruktur. Sie üben eine wichtige moralische Funktion aus und liefern Unterscheidungskriterien zwischen angemessenen und unangemessenen Verhaltensweisen. Einige wirken auch als ungeschriebene Eigentumsurkunden, die den Anspruch eines Volkes auf sein Territorium rechtfertigen. Wieder andere werden in den Dienst politischer Zielsetzungen eines Regimes, einer Aristokratenschicht oder einer Priesterkaste gestellt, wie etwa in Ägypten, Rom und Japan, bei den Azteken oder den Inka.
Diese Mythen legitimieren den jeweiligen Status quo der gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Natur des Menschen scheint ein tiefes Bedürfnis nach solcherart Legitimation zu entsprechen - eine Legitimation jenseits aller Rationalität - und nicht nur Stammesgesellschaften liefern hierfür Beispiele. Im 17. Jahrhundert wurde in England und Frankreich die Allmacht der Könige durch den Glauben an ihr Gottesgnadentum gerechtfertigt, ein politisches Dogma, das in mythologischen Überlieferungen wurzelt. Die Gegenströmung, das Entstehen der Demokratie, rechtfertigte man durch den Mythos vom Sozialvertrag. In Nazi-Deutschland wurden die aggressiven Expansionsprogramme und der leidenschaftliche Rassenhass teilweise mit einer Belebung alter germanischer Mythologie 'gerechtfertigt'. Der japanische Imperialismus vor 1945 erfuhr eine ähnliche Sanktionierung mit der Auffrischung von Mythen, die Nationalismus, Militarismus und den Glauben an die göttliche Autorität des Staates förderten."26
Der Übergang zum Monotheismus
Nach Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte, in denen es bei den verschiedenen Stämmen und Völkerschaften vor Göttern nur so wimmelte, vollzog sich etwa in der Mitte des letzten Jahrtausends v. Chr. bei den Israeliten eine folgenreiche Wandlung vom praktischen Monotheismus hin zum theoretischen Monotheismus. Ansätze zum Monotheismus hatte es schon früher gegeben, so z. B. der Versuch des ägyptischen Pharaos Echnaton, die alleinige Anbetung der Sonne (= Gott Aton) durchzusetzen, oder der Gott Ahura Mazda im persischen Zoroastrismus.
Wie kam es zur Herausbildung des Monotheismus in der israelitischen Theologie? Nach der Sesshaftwerdung der Israeliten zwischen etwa 1200 und 1000 v. Chr. war nun "nicht mehr die personelle Zugehörigkeit zu Sippe oder Stamm, sondern die Niederlassung in einer Ortschaft oder einem Territorium bzw. Gau maßgeblich" (Fohrer, S. 49). Damit "war die Aufnahme von Angehörigen anderer Stämme und von Kanaanäern möglich, wie umgekehrt Israeliten sich in kanaanäischen Städten niederließen." (Fohrer, S. 49) Das bedeutete natürlich auch, dass insbesondere die kanaanäische Religion, ihre Götter und ihre Kulte, Einfluss auf die Stammesgötterreligion und die israelitische Jahwereligion gewannen. Über einer Vielzahl von Göttern und Göttinnen dominierten vor allen der Gott El sowie der Gott Baal. Mythen und Legenden der Kanaanäer wurden von den Israeliten übernommen, umgeformt und an ihre (Stammes-) Götter angepasst.
Es darf auch nicht übersehen werden, dass zu dieser Zeit "Israel [...] seinen Gott Jahwe anderen Göttern als ebenso wirklichen Mächten gegenüber stehen [sah]. Diesen Göttern wurde volle Existenz zugestanden; wie Jahwe der Gott Israels war, so galten sie nach selbstverständlicher und unbestrittener Anschauung als die Herren der anderen Völker (vgl. Jdc11,21 ff.; I Sam26,19)." (Fohrer, S. 93)
"[...] Deuterojesaja27 [war] der erste Prophet, der eine eschatologische Botschaft verkündigte, da er ein neues Zeitalter heraufziehen sah. Dieses Denken verband sich bei ihm mit dem Entwurf einer umfassenden Theologie, die von der Einzigkeit und Alleinigkeit Jahwes ausging. Während man bis zu dieser Zeit lediglich von einem praktischen Monotheismus sprechen kann, der Israel - ungeachtet der Existenz anderer Götter - allein auf Jahwe verpflichtete, vertrat Deuterojesaja nach einigen Ansätzen bei Jeremia einen theoretischen Monotheismus, der die Existenz anderer Götter ausdrücklich verneint [...].
Existiert aber lediglich der eine Gott, so hängen alle Geschehnisse und Erscheinungen von der Schöpfung der Welt bis in Ewigkeit mit ihm zusammen. Daher verknüpfte Deuterojesaja in einem großen Brückenschlag Urgeschichte, Geschichte und Endzeit miteinander und mit Jahwe. Er und niemand anders war und ist in der Schöpfung, im Geschick der Völker und Menschen und in der Herbeiführung des ewigen Heils am Werke." (Fohrer, S. 331/2)
Macht man sich klar, dass die Israeliten erst relativ spät im Raum Kanaan als Völkerschaft in Erscheinung traten und als ehemalige (Halb-) Nomaden vor allem auf den Höhen des Berglandes von Samaria und Juda sesshaft geworden sind, so lässt sich vermuten, dass die frühen Israeliten wohl eher die "Hillbillys", also die Hinterwäldler der Region waren. Vielleicht ist das der Grund, warum sie in ihren Mythen zur Angeberei neigten: Nicht alle Städte Kanaans hatten sich von den Einfällen der Seevölker und deren Zerstörungen erholen können und von jenen, die wieder auf die Beine gekommen waren, wurden bei einem Kriegszug des Pharaos Schischak Ende des 10. Jahrhunderts v. Chr. nicht wenige ein weiteres Mal zerstört. Diese Ruinen- und Trümmerstädte seien, so die Israeliten, ihr Werk gewesen, sie hätten all diese Städte zerstört und deren Bewohner niedergemacht; so hätten sie sich das Land, Kanaan, genommen - auf Geheiß ihres Gottes. Mann, was waren diese Israeliten für Kerle, was für ein mächtiger Gott ist an ihrer Seite! - Das ist der Eindruck, den die Israeliten mit solchen Geschichten erwecken wollten. Und wie sie den Ägyptern entkamen: Unglaublich! Welche Kerle! Welch ein Gott! Die Israeliten schwelgten in ihren literarischen Produkten in Machtfantasien auf Kosten der anderen Völkerschaften, die Kanaan bevölkerten: Ihr Gott Jahwe habe sie unter allen anderen Völker erwählt, die Israeliten zu seinem Lieblingsvolk gemacht; sie sollten dermaleinst die Vorherrschaft über alle anderen Völker erhalten, ihnen schenkte er Kanaan, nicht den anderen darin lebenden Völkerschaften.
Die israelitischen Mythen geben Anlass zu Gehässigkeiten
Diese israelitischen Mythen interessierten die anderen kanaanäischen Bewohner nicht, solange diese in deren eigener Bevölkerung kursierten, wenn dann aber die Konsequenzen aus deren übergriffiger Sichtweise in handfesten politischen Taten, wie zum Beispiel Eroberung, Unterwerfung und Vertreibung (s. dazu beispielsweise Numeri 33,50 - 56), zutage traten, machten sich die Israeliten bei ihren Nachbarn unbeliebt, extrem unbeliebt.
Diese Sichtweise der Israeliten, sie seien das auserwählte Volk Gottes, sprach sich natürlich auch bei den Nachbarvölkern herum. Und da deren Götter für die Israeliten nicht wirklich existent waren, stand das auserwählte Volk logischerweise viel höher als die Völker um sie herum.
Diese Ansicht bewirkte in Städten, in denen die Juden lediglich einen Anteil an einer ansonsten gemischten Bevölkerung (sowohl in ethnischer wie in religiöser Hinsicht) ausmachten, böses Blut. - Die Juden vermieden den Kontakt mit den anderen? Sie waren arrogant und hochnäsig. Die Juden heirateten lediglich untereinander? Sie hielten sich wohl für etwas Besseres. Die Juden sahen ihre Religion als die einzig wahre Religion? Sie waren eingebildet, intolerant und beleidigten die religiösen Gefühle ihrer Nachbarn. Die Juden hielten ihr Volk für höher stehend als die anderen Völker? Sie galten den Nachbarn als (wenn es diese Begriffe damals schon gegeben hätte) Nationalisten, religiöse Rassisten und Chauvinisten.
Und das ist die historische Schuld, welche die Jerusalemer Tempelpriesterschaft einschließlich Esra mit ihrer Theologie auf sich geladen haben: Diese Theologie, welche die Jerusalemer Tempelpriesterschaft aus egoistischen Gründen geschaffen hat, um ihre Pfründe zu sichern, um ihre Macht und ihr Ansehen zu steigern, isolierte das jüdische Volk von den anderen Völkerschaften und machte es dadurch extrem angreifbar.
Bezeichnend dafür sind beispielsweise die Vorgänge um den Neubau des Jerusalemer Tempels nach der Rückkehr einer ersten Gruppe von Israeliten aus dem Babylonischen Exil. "Im ersten Jahr seiner Herrschaft gibt Kyros, der Begründer des Persischen Reichs, einen Erlass für die Wiederherstellung Judas und des Tempels heraus". (FuS28, S. 319)
Nach der Grundsteinlegung für einen neuen Tempel im Jahr 535 v. Chr. unter dem von Kyros ernannten Statthalter Serubbabel passierte dann aber zunächst einmal nicht sehr viel. Wohl wird es bereits einen Altar gegeben haben, aber es dauerte dann doch bis zum Jahr 516 v. Chr., bis der neue Tempel eingeweiht werden konnte.
"Die Einwohner Samarias - die ehemaligen Bürger des Nordreichs und die von den Assyrern dorthin verschleppten Verbannten - hören von dem Baubeginn für den zweiten Tempel, kommen zu Serubbabel und bitten ihn, mitarbeiten zu dürfen. Aber Jeshua, der Priester, und Serubbabel schicken die Bewohner des Nordens fort und sagen ihnen unverblümt: 'Es ziemt sich nicht, dass ihr und wir miteinander das Haus unseres Gottes bauen' (Esr. 4,3). Die Fraktion, die sich in der Verbannung behauptet hat, ist mittlerweile nämlich der Ansicht, sie besitze das göttliche Recht, den Charakter judäischer Orthodoxie zu bestimmen.
Voller Groll behindert [daraufhin] 'das Volk des Landes' die Arbeit und schreibt sogar dem persischen König einen Brief, in dem es die Juden beschuldigt, sie wollten 'die aufrührerische und böse Stadt wieder aufbauen', und voraussagt, dass, 'wenn diese Stadt wieder aufgebaut wird und die Mauern wieder errichtet werden, so werden sie Steuern, Abgaben und Zoll nicht mehr geben, und zuletzt wird es den Königen Schaden bringen, … und … hernach [wirst du] nichts behalten … von dem, was jenseits des Euphrats liegt' (Esr. 4,12 - 16). Als der persische König diesen Brief erhält, ordnet er [zunächst] die Einstellung aller Bauarbeiten in Jerusalem an." (FuS, S. 320)
Die ersten Massaker an Juden
Diese jüdische Sichtweise, die der biblischen Theologie der Jerusalemer Tempelpriesterschaft innewohnt, kam letztlich wie gesagt bei den anderen Völkerschaften, mit denen die Israeliten zusammenlebten, nicht gut an. Man hielt sie für hochnäsig und arrogant und für Verächter der Götter der anderen Völker. Manfred Clauss schreibt dazu (S. 93 - 95): "Hinzu kam, dass einige Erscheinungsformen der jüdischen Religion den Boden für Spannungen mit der Mitwelt bereiteten. In Judäa, vor allem aber in der Diaspora in Ägypten war man auf das Zusammenleben mit der hellenistisch geprägten Umgebung angewiesen. In Judäa galt dies vor allem für die Vertreter der Staatsregierung, welche die Integration in die hellenistische Zivilisation suchten. Diese Assimilation rief den Widerstand traditionsbewusster Kreise hervor, die jeglichen Kompromiss in dieser Hinsicht rigoros ablehnten.
Eine solche Haltung stieß wiederum bei vielen Nachbarn auf Unverständnis. Dazu trug nicht zuletzt auch das Selbstverständnis der jüdischen Auserwähltheit bei, das, wie manchen Erzählungen des Alten Testaments zu entnehmen ist, recht seltsame Blüten trieb.
Die Geschichte von der Flucht einer Gruppe von Nomaden aus Ägypten Jahrhunderte vor der Regierungszeit Davids war schon lange zu einem großartigen Sieg über die Truppen des Pharao, allgemeiner formuliert, zu einem Erfolg über Ägypten ausgemalt worden. Doch dabei blieb die jüdische Tradition nicht stehen. Immer großartiger gestaltete sich dieser angebliche militärische Sieg, und entsprechend die Schilderung der desolaten Lage Ägyptens.
Während Herodot Ägypten als 'Geschenk des Nil' gepriesen hatte, verwandelte sich der Strom in den jüdischen Erzählungen vom Exodus in eine ungenießbare und unfruchtbare Brühe, die zudem von Legionen von Fröschen wimmelte; Ägypten als Land der Mücken-, Bremsen- und Heuschreckenplage, die Ägypter als pestverseuchtes Volk, von aufbrechenden Geschwulstbeulen gezeichnet. Dieses Bild, aus einigen der zehn Plagen zusammengefasst, verbanden die Juden mit jenen Siegesmeldungen, die in dem Refrain gipfelten (Exodus 15,21): 'Singet dem Herrn, denn hocherhaben ist er, Pferd und Reiter warf er ins Meer.'
Solange die Juden dies in einer Sprache tradierten, die nicht sonderlich verbreitet war, mag zwar manche Geschichtsklitterung bekannt geworden sein, aber dies blieb ohne Auswirkung. Erst nach Entstehung der Septuaginta am Anfang des 3. Jahrhunderts [v. Chr.], der griechischen Übertragung des Alten Testaments, änderte sich die Lage schlagartig. Die Gelehrten, die den Text in die neue Sprache übertragen hatten, hatten sich zwar bemüht, manche Härten für griechische Augen und Ohren zu glätten, aber die zahllosen Ausfälle gegen die Ägypter waren nicht unter den Tisch zu kehren. Und in Ägypten verstand man in zunehmendem Maße die griechische Sprache. Zur Verbreitung der Erzählung trug auch jener nicht näher bekannte jüdische Dramatiker Ezechiel bei, der im 2. Jahrhundert [v. Chr.] die Flucht aus Ägypten in Form einer griechischen Tragödie gestaltete, für uns heute das größte Stück dieses Genres nach Euripides.
So überrascht es eigentlich nicht, wenn die Ägypter mit gleicher Münze heimzahlten. Nicht die Juden seien aus Ägypten geflohen, sondern die Ägypter hätten die Juden vertrieben, weil diese für die Ausbreitung einer ansteckenden Seuche verantwortlich gewesen seien. Das Wort für den jüdischen ›Sabbath‹ ähnelte dem ägyptischen sabbatosis, der Bezeichnung für einen Tumor in der Leistengegend. Auf den Wanderungen hätten die Juden diesen Tumor zusammengedrückt, der sie dennoch an jedem siebten Tag zur Ruhe gezwungen hätte, weshalb die Juden eben den Sabbath als Ruhetag feierten.
Ägypter sind Schurken, Kreter Lügner, Boiotier Säufer, Abderitaner Narren, Syrer geborene Sklaven und so fort. Die Liste derartiger Charakterisierungen aus der antiken Literatur ist lang. Hier reihen sich die jüdischen Topoi über die Ägypter wie diejenigen anderer Völker über die Juden nahtlos aneinander. Aber der jüdische Absolutheitsanspruch, das auserwählte Volk schlechthin zu sein, und die entsprechende Diskriminierung der übrigen waren bis dato in der Antike unbekannt. Nun setzte eine Entwicklung jüdischer Religion und Kultur ein, die einerseits starke Ressentiments anderer Völker gegenüber den Juden begünstigte, andererseits aber die Bewahrung kultureller und religiöser Identität des jüdischen Volkes sicherte, und zwar noch in den grauenvollsten Phasen seiner Geschichte. Die strengen Glaubensgesetze der Juden veranlasste sie, sich entschieden von der ›unreinen‹ Umwelt abzugrenzen; diese deutete eine solche Haltung als Intoleranz und Arroganz."
Auf diesem Hintergrund kam es während des jüdischen Aufstandes gegen die Römer (66 - 74 n. Chr.) "in mehreren Städten [zu] Massaker[n] an der jüdischen Bevölkerung" (Clauss, S. 112).
Der Monotheismus des Christentums und des Islams - Grundlage für Massenmorde
Diesen jüdischen Monotheismus übernahm das Christentum. Und auch die Christen fühlten sich den anderen Religionen überlegen, diese würden Götzen anbeten, während sie dem einzig wahren Gott huldigten.
Diesen jüdischen Monotheismus übernimmt dann auch der spätere "Prophet" Mohamed und auch die Muslime sind der Ansicht, sie seien die Auserwählten Gottes, alle anderen seien "Ungläubige" und es sei gottgewollt, diese zu versklaven und zu töten, falls sie sich nicht zum Islam bekehren ließen.
So beginnt mit dem Monotheismus eine mehr als zweitausendjährige Zeit der Intoleranz, der "Ausmerzung" anderer Religionen mitsamt ihren Anhängern, der Vernichtung ihrer Kultur. Die Apologeten dieser monotheistischen Religionen sorgten dafür, dass Bücher, die nicht ihrer Sichtweise entsprachen, über die Jahrhunderte "unauffällig" verschwanden und Menschen, die anderer Ansicht waren, als "Ketzer" auf Scheiterhaufen verbrannt wurden. "Würden die Seelen der Gefolterten, Erdrosselten und bei lebendigem Leib Verbrannten als Gespenster umhergeistern, wäre es in der westlichen Welt, von Schweden bis nach Amerika, nicht auszuhalten." (Mess, S. 12) "Der Rest der Welt [gemeint ist die islamische Welt] betrachtet es als normal oder sogar heldenhaft, wenn der Anhänger des einen Gottes es für angemessen und verdienstvoll hält, den Anhänger eines anderen Gottes mit der sicheren Gewissheit umzubringen, dass ihn sein Verbrechen geradewegs ins Paradies führt. [...] Wie viele Priester, die heimlich irgendwelche fetwas (Rechtsgutachten) vorbereiten, Ayatollahs, die ihre Bannbulle in der Schublade haben, Rabbiner mit dem Finger am Abzug ihrer Kalaschnikow oder andere mit Bart, Mitra und Amuletten ausgestattete geistliche Würdenträger warten nur auf die Gelegenheit, unreines Blut zu vergießen!
Zu allen Zeiten haben sich Menschen mittels himmlischer Stimmen oder Erscheinungen zu Abgesandten Gottes ernannt, um andere Menschen zu töten, ohne auch nur den Hauch einer plausiblen Definition dessen abgeben zu können, was Gott, wenn schon nicht für die anderen, so doch zumindest für sie selbst bedeutet." (Mess, S. 13/4)
"Einer Religion anzugehören ist gefährlich. Es bedeutet zum einen, einen potenziellen Mörder aus sich zu machen, und zwar den schlimmsten aller Mörder, den Mörder mit ruhigem Gewissen. Die Geschichte der Gegenwart und die Chronik der vergangenen Jahrhunderte wimmeln von Menschen, die im Namen Gottes töteten, ohne sich im geringsten um die damit verbundene Gotteslästerung zu kümmern, die sie auf direktem Weg in die tiefste Hölle stürzen müsste, wenn es diese gäbe. Die Überzeugung, im Alleinbesitz der göttlichen Wahrheit zu sein, ist eine schändliche Bösartigkeit. Es bedeutet weiter, sich in einem Gemisch aus Ignoranz und Arroganz einzuschließen, das Dante bei seinem berühmten Besuch der imaginären Hölle zu beschreiben vergessen hat. Die Würde des Menschen liegt im Zweifel begründet; dieser ist zwar unbequem, doch Bequemlichkeit ist das Privileg der Wilden, der Verrückten und der Mörder. Beispiele der Arroganz wurden uns von all jenen Religionen geliefert, die das Privileg beanspruchten, Gott gesehen und gehört zu haben." (Mess, S. 651)
Mythen sind Märchen!
An dieser Stelle ist es angebracht, ein weiteres Mal kurz innezuhalten und sich eine wesentliche Tatsache vor Augen zu halten: "[...] aus Joseph Campbells unvoreingenommener Sicht aber sind die Heiligenlegenden - einschließlich der Bibel - keine göttlichen Offenbarungen ewiger Wahrheiten; vielmehr sind dies alles Konstrukte menschlicher Phantasie, wundersame Geschichten aus jenem 'Es war einmal'; kurzum, es sind wunderbare Mythen: 'Der konventionellen Definition entsprechend wäre Mythos ›die Religion anderer Völker‹; und eine Definition der Religion müsste entsprechend ›missverstandene Mythologie‹ lauten - wobei das Missverständnis in der Deutung mythischer Metaphern als historischer Tatsachen liegt'29." (Myth, S. 8/9)
"[...] er [der moderne Mensch] muss endlich erkennen, dass die Götter und Dämonen immanent sind; er muss verstehen, dass Himmel, Hölle und andere Bereiche nicht Orte ‚irgendwo da draußen' und erst nach dem Tod erreichbar sind, sondern psychische Zustände in seinem Innern [...]." (Myth, S. 9)
Warum sich Menschen ihren infantilen Glauben nicht nehmen lassen wollen
Der moderne Mensch jedoch will das nicht erkennen, er will es noch nicht einmal zur Kenntnis nehmen. Schon der leiseste Verdacht, man wolle ihm mit einleuchtenden rationalen Argumenten seinen Glauben an Gott nehmen, lässt ihn unwirsch reagieren; man stößt dann auf schroffe Abschottung und im Zweifelsfall bricht er lieber den Kontakt mit dem anders Denkenden ab. Diese Haltung lässt sich übrigens bei Frauen deutlich häufiger beobachten als bei Männern, wenngleich sie bei beiden Geschlechtern weit verbreitet ist. Offenbar birgt das Bewusstsein dieser Menschen einen Glaubenskern, an den sie nichts heranlassen, den sie ängstlich hüten wie einen Schatz, dessen Verlust sie fürchten, ja, sie vermeiden es auch geradezu psychotisch, diesen Glaubenskern zu hinterfragen oder hinterfragen zu lassen. Dabei entspricht das religiöse Weltbild fast aller deutschen Christen dem eines kleinen Kindes oder eines mittelalterlichen Bauern: Sie befinden sich letztlich - ohne sich das ehrlich einzugestehen - noch immer in einer mittelalterlichen Vorstellungswelt von Himmel und Hölle, Erlösung und Verdammnis, ewigem Leben im Himmel und ewigem Büßen in der Hölle, Gott und Teufel. Die Bibel ist das Wort Gottes, Jesus der Christus (Messias), der durch seinen Sühnetod am Kreuz für die Sünden der Menschen gestorben ist und die Menschen dadurch erlöst hat. Man glaubt an den Dualismus von Gut und Böse, den Kampf des Teufels um die Seelen der Menschen, den Untergang der Welt am "Jüngsten Tag" und die finale Scheidung der Menschen in Schuldige und der ewigen Verdammnis Verfallene sowie in bußfertige, gottesfürchtige Anwärter auf Teilhabe am kommenden Reich Gottes.
Dabei machen sich die wenigsten ihre Sichtweise so klar, wie sie hier beschrieben wird; vielmehr belassen sie ihr religiöses Weltbild in jener diffusen Verschwommenheit, in welcher sie dieses in ihrer Kindheit von ihren Eltern oder von Priestern oder von wem auch immer übernommen und verinnerlicht haben. Und wie gesagt: diesen infantilen Glaubensschatz behüten sie ihr Leben lang so ängstlich, als würde ihre gesamte Existenz davon abhängen. Wie lässt sich diese Haltung erklären?
Den Ursachen auf der Spur: Sigmund Freud und die Psychoanalyse
Es war Sigmund Freud, der hier als einer der ersten versucht hat, das Verhältnis des einzelnen Menschen zu seinem Gottesbild wissenschaftlich zu ergründen und Antworten auf diese Frage zu finden. Er fand den Schlüssel zum Verständnis in der Entwicklung des Kindes vom Säugling zum Erwachsenen. In Bezug auf die Kindheit unterschied er die orale Phase, die von der analen abgelöst werde und auf welche die phallische oder ödipale Phase folge. Nach einer Latenzperiode trete das Kind schließlich in die genitale Phase ein, die in der Pubertät ihre volle Ausbildung erfahre.
Entscheidend für die Formung des Individuums ist hierbei die Gehirnentwicklung. Das Gehirn ist ein hochkompliziertes Organ mit fantastisch komplexer Arbeitsweise; es ist dieses Naturwunder, welches das Bewusstsein in den Köpfen der Menschen erschafft, das die dem Gehirn von den Sinnen und vom Gehirn selbst gelieferten Daten in einer ganz persönlichen, individuellen Weise durchsiebt, modifiziert und an andere Bereiche des Gehirns weiter- und zurückleitet. Dieses (Ich-) Bewusstsein macht die Persönlichkeit eines Menschen aus.
Das Ich-Bewusstsein entwickelt sich im Kleinkindalter erst allmählich. Indem das Kind seine Umwelt beobachtet und mit ihr interagiert, gerät es auch selbst mitsamt seinen Lebensäußerungen in sein Blickfeld. Es war der US-amerikanische Soziologe Charles Cooley, für den "das Selbst, bzw. das Ich, einzig und allein in der Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt [entsteht]. Sein Modell wird auch Looking-glass self (etwa 'Spiegel-Ich') genannt, da sich das Individuum seiner Theorie zufolge nach der Weise definiert, wie es von anderen Menschen wahrgenommen wird."30 So, wie das kindliche Gehirn zum Beispiel eine Mutter und einen Vater kreiert, ebenso generiert es allmählich ein Selbst, denn wenn Mutter und Vater immer wieder liebevoll seine Bedürfnisse befriedigen, dann muss ja auch ein Träger dieser Bedürfnisse da sein, und irgendwann im zweiten Lebensjahr begreift das kleine Wesen: Das bin ICH!
Es spürt und sieht, wie es sich anfasst, es empfindet das Brennen der geröteten Stelle am Po, es fühlt und beobachtet, wie ihn Mutter und Vater nach dem Windelwechsel wieder in weiche, duftende Wäsche einpacken. Also muss da einer sein, dem das geschieht.
Es sind Eindrücke, die von außerhalb das Gehirn erreichen, die es diesem ermöglichen, sich ein Bild von der Person zu machen, welcher dieses Gehirn mitsamt seinem innewohnenden Bewusstsein gehört. Nach dem Neurowissenschaftler V. S. Ramachandran gestaltet das Gehirn das Selbst völlig analog zu anderen wahrgenommenen Personen seines Wahrnehmungsbereiches.31 Ob dieses Selbst nett ist oder garstig, sympathisch oder unsympathisch, hübsch oder hässlich, ja, alle Informationen über sich selbst bezieht das Selbst aus dem Verhalten anderer Personen ihm gegenüber. Blickt es also auf das Verhalten anderer Personen ihm gegenüber, so sieht es - wie in einem Spiegel - sich selbst (s. o.). Und so, wie es in der Lage ist, Personen seines Wahrnehmungsbereichs distanziert beobachtend zu betrachten, genauso kann es auch sich selbst distanziert beobachtend betrachten. Kommt es dann peu à peu in die Lage, andere und ihr Verhalten zu bewerten, zu beurteilen, so kann es dies - und macht das auch - mit sich selbst ebenso. Aber davor liegt erst die stetig zunehmende Übernahme der Normenwelt der Erwachsenen: Die Erwachsenen befriedigen nicht alle lautstark kund getanen Bedürfnisse des Selbst; das Selbst bekommt Dinge und Verhaltensweisen verboten; von engen, vertrauten Bezugspersonen kann es Dinge fordern, die es von Fremden nicht ohne Weiteres fordern kann usw. Das Selbst bildet also durch die Interaktion mit seiner sozialen Umwelt allmählich einen moralischen Überbau aus, den Siegmund Freud als "Über-Ich" bezeichnet hat.
"Das Über-Ich ist die psychische Instanz, die die Wertvorstellungen und Normen und die moralischen Prinzipien repräsentiert, die von einem Menschen beginnend mit seiner frühkindlichen Entwicklung erworben worden sind.
Als eine Art Gewissen dient es zur Beobachtung des Ichs [...]. Zugleich ist es der 'Ort' der [...] Verinnerlichung von Werten und Normen der Eltern und der Gesellschaft.
Das Über-Ich wirkt direkt auf das Ich ein, 'es beobachtet das Ich, gibt ihm Befehle, richtet es und droht ihm mit Strafen, ganz wie die Eltern, deren Stelle es eingenommen hat.' (Freud, Abriss [der Psychoanalyse, Kap. 9]).
Das Über-Ich ist letzten Endes eine innere, eigene Zensurinstanz und vertritt das Moralitätsprinzip und 'strebt nach Perfektion, bewertet alles, was wir tun, und erzeugt positive Gefühle von Stolz oder negative Gefühle von Schuld.'"32
Tatsächlich stellt das Über-Ich das Ich ab einem bestimmten Alter (was mit der Gehirnentwicklung zusammenhängt) beständig auf eine innere Bühne, die virtuell umstanden wird von einem mehr oder weniger großen Zuschauerkreis von Personen seiner Umwelt. Das Über-Ich führt auf dieser Bühne diesen Zuschauern vergangenes Handeln des Ichs vor und beurteilt dieses Handeln (vermeintlich) aus der Sicht dieser Zuschauer. So kann daraus Lob des Über-Ichs gegenüber dem Ich entspringen, aber auch Tadel; und so kann für das Ich Freude und Stolz, aber auch Scham und Reue entstehen.
Auf diese innere Bühne stellt das Über-Ich aber auch Handlungen, die das Ich zukünftig ausführen will, und fragt die virtuellen Zuschauer, was sie davon halten ("Das kannst du doch nicht machen; was werden die Leute dazu sagen?!"). Dabei repräsentieren diese virtuellen Zuschauer natürlich jene Normen und Werte, die sich das Ich im Über-Ich aufgrund seiner jahrelangen Interaktion mit seiner sozialen Umwelt angeeignet hat. Je nachdem, wie das Urteil der virtuellen Zuschauer - respektive des Über-Ichs - ausfällt, kann sich das Ich in seinen Absichten bestärkt fühlen oder hält Korrekturen für notwendig oder unterlässt gar die beabsichtigte Handlung gänzlich.
Während das Ich sein Über-Ich als essenziellen Kern seiner Persönlichkeit begreift, der zuverlässig abgespeichert ist, bedarf das Ich der permanenten Selbstversicherung durch entsprechende Eindrücke des Gehirns. Geradezu ängstlich gleicht das Ich seine Existenz und seine Identität permanent durch die Vergewisserung des gewohnten Eingesponnenseins in sein alltägliches Beziehungsgeflecht ab. Dies beginnt bereits beim morgendlichen Erwachen: Ja, das ist sein Schlafzimmer, ja, das ist sein Radiowecker mit dem von ihm eingestellten Lieblingssender, der ihn weckt, ja, in der Küche steht immer noch der Rest des Nudelauflaufs vom Abend zuvor auf dem Tisch. Der Spiegel bestätigt ihm seine Identität, seine Stimme ist ihm wohlvertraut, sein Terminkalender erinnert ihn an den Zahnarzttermin, den er vor einigen Wochen vereinbart hat. Von seinen Arbeitskollegen, die ihn in der üblichen Art begrüßen, fehlt Lars. Ach ja, er hat sich ja eine Woche Urlaub genommen. Usw. usf. Diese pausenlose Bestätigung des Eingesponnenseins in ein vertrautes Beziehungsgeflecht ist für die Selbstbestätigung des Ichs von überragender Bedeutung; nur dadurch ist es sich seiner selbst gewiss. Wer es nicht glaubt, mache folgendes Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, Sie erwachen morgens in einem unbekannten Zimmer, aus dem Spiegel blickt Sie ein unbekanntes Gesicht an, die Kleidung auf dem Stuhl ist Ihnen gänzlich fremd, im Portmonee finden Sie Geld in einer unbekannten Währung. (Sie können diesen Horrorfilm gerne weiter ausspinnen.) Für Ihr Ich-Bewusstsein wäre das der Super-GAU.
Während das Gehirn so mittels der einlaufenden Daten unablässig das Ich abgleicht und auf diese Weise erhält - das "beginnt morgens mit dem Aufwachen und dauert bis zum Einschlafen pausenlos an"33 -, fungiert das Über-Ich, also die Persönlichkeit der betreffenden Person, als Filter und Vorstrukturierer der hereinkommenden Informationen.
Dabei meißeln die Interaktionen mit der Umwelt, vor allem die sozialen, sowie die Änderungen der Sichtweise, die durch das fortschreitende Alter bedingt sind, fortwährend an unserem Über-Ich; es wandelt sich unmerklich, aber stetig, und vergleicht man die Person, die man mit 20 war, mit der Person, die man mit 60 ist, so ist es kaum glaublich, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt. Auch das Ich selbst wandelt sich mit Änderungen in der Lebensumwelt, und derjenige, der mit wenig Geld wild campierend einst Griechenland bereist hat, lässt sich kaum noch in dem 52 Jahre alten Direktor einer Schule, die er verantwortungsbewusst und zuverlässig leitet, wiedererkennen. Dieser stete Wandel des Ichs und des Über-Ichs einer Person endet erst, wenn diese ihren letzten Atemzug getan hat.
Die Individuen und ihr ganz persönlicher Gott
Wo entsteht während der Entwicklung des Kindes in seinem Bewusstsein eine Gottesvorstellung? Nun, wenn diese nicht von außen an das Kind herangetragen wird und ihm seine Warum-Fragen hinlänglich zufriedenstellend beantwortet wurden, würde es kaum von sich aus eine Gottesvorstellung entwickeln. Sollte es allerdings philosophisch-grüblerisch veranlagt sein, so kann es auf Fragen wie "Woher kommt die Welt?" "Wohin geht der Mensch?" oder ähnliche zu Antworten finden, die eine Gottesvorstellung implizieren.
Jedoch ist dieser Fall weitgehend hypothetisch; in der Realität wird an ein Kind irgendwann von irgendjemand ein Gottesbild herangetragen, sprich: es übernimmt die religiöse Tradition seiner Mutter oder seines Vaters oder einer Tante oder eines Priesters oder einer anderen Person ganz im Sinne des obigen Lessingzitates. Ist dies eine moralisch hochstehende, glaubwürdige Person, hat diese einen großen Einfluss auf die kindliche Entwicklung und wird die Religion in einer Gemeinschaft (z. B. Kirchengemeinde, Jugendgruppe etc.) überzeugend und positiv gelebt, so ist es nahezu unvermeidlich, dass diese Gottesvorstellung - meist in irreversibler Weise - in das Über-Ich des Kindes eingebaut wird. Wird dagegen die Gottesvorstellung nur in ganz allgemeiner Weise von wenig überzeugenden Personen an das Kind herangetragen, wird es zwar meist in seinem späteren Leben von der Existenz eines Gottes ausgehen, diesem jedoch wenig Aufmerksamkeit schenken; man ist zwar getauft, man bezahlt Kirchensteuer, aber in die Kirche geht man - wenn überhaupt - lediglich einmal im Jahr - zu Weihnachten.
Welche Relevanz hat die Gottesvorstellung für den Durchschnittsmenschen? Da es keinen real existierenden Gott gibt, kann dem Menschen ein solcher auch nicht über den Weg laufen; somit kann es auch keine Kommunikation zwischen den beiden geben. Sehr wohl kann es natürlich zu einem Kontakt zwischen dem Menschen und dem Gott (-esbild) in seinem Bewusstsein kommen. Kommuniziert der Mensch mit seinem Gott (-esbild) in seinem Bewusstsein, so nennen wir das Gebet. Mit wem der Mensch nun ganz konkret im Gebet spricht, ist individuell verschieden; die Gottesvorstellungen der Individuen unterscheiden sich alle voneinander, je nachdem, wie das jeweilige Individuum sein Gottesbild ausgestaltet.
Generell lässt sich sagen, dass sich praktisch alle Betenden Gott als klar umrissene, real existierende Person mit menschlichen Zügen vorstellen. Mit welchen Eigenschaften der Betende sein Gottesbild ausstattet, hängt ganz von der Bedürfnislage des Betenden ab: Braucht dieser vor allem jemand, der ihm zuhört, so wird der Betende einen geduldig lauschenden Gott kreieren, braucht er jemand, der ihm eine Bitte erfüllt, so wird sein Gott ein gütiger, freigiebiger und ihn liebender Wunsch-Erfüller sein, braucht er jemand, der ihn tröstet, wird sein Gott ihm nicht nur verständnisvoll zuhören, sondern ihn auch - gefühlt - in die Arme schließen und ihm liebevoll die Tränen trocknen.
Hat der Mensch mit den vertrauten Personen seiner Sozialisation wie Mutter, Vater, Onkel etc. positive Erfahrungen gemacht, hat er sie als ihm zugeneigte, verständnis- und liebevolle Personen erfahren, so kann sich sein Gottesbild mit einer dieser Personen decken - sowohl was das Aussehen betrifft als auch die charakterlichen Eigenschaften. Hat der Mensch jedoch während seiner Sozialisation ganz überwiegend negative Erfahrungen gemacht, so gestaltet er sein Gottesbild so aus, wie er sich einen idealen Vater, eine ideale Mutter usw. vorstellt. War sein Vater ein brutaler, versoffener, verständnis- und liebloser Tyrann, so gestaltet der Sohn oder die Tochter ihre Gottesvorstellung als komplettes Gegenbild zu diesem Vater: Ihr Gott ist nicht nur heilig, allmächtig, allwissend, allgegenwärtig, vollkommen, sondern auch noch voller Liebe, Zuneigung, Verständnis, Güte und Barmherzigkeit.
So verschmilzt die jeweils individuelle Gottesvorstellung mit dem Über-Ich und wird Teil des essenziellen Wesenskerns des Menschen, den er - wie wir oben bereits gesehen haben - wie einen Schatz behütet und gegen alle möglichen Anfeindungen abschottet. - Warum sollte man den Menschen das nehmen wollen? Warum sollte man sie partout davon überzeugen wollen, dass es Gott nicht gibt? - Es wird ohnehin nicht gelingen. Und wenn die Menschen von ihrem Gottesbild positive Impulse für ihr Leben empfangen - was spricht dagegen?!
Religionsgemeinschaften, Kirchen, Sekten: "Willst du nicht bei uns Mitglied sein…"
Eine andere Sache ist, wenn die Gurus und Apologeten von Religionen und Religionsgemeinschaften wie die Geier Opfer für ihre Religionsgemeinschaft wittern. "Na, siehst du, es gibt Gott doch (und er ist Mitglied in unserer Religionsgemeinschaft; und nur wer da Mitglied ist, hat Teilhabe an Gott, seinem Paradies, seinem ewigen Leben...)."
"Vertreter des Glaubens [fühlen sich] durch den Verfall der traditionellen Werte, den sie in den westlichen Gesellschaften zu beobachten glaubten, höchst beunruhigt und schoben der wissenschaftlichen Bildung, die sich in ihren Augen mit Diskotheken und Minirock verband, einen Riegel vor. Die recht simple Überlegung, die sie anstellten, lautete: Da Wissenschaft und Technik dem logischen Bedürfnis nach Gott entgegenwirken und Seine ausdrücklichen Tugendanweisungen und, darüber hinaus, die islamischen Gesellschaften und Nationen insgesamt gefährden, muss man sie bis hinter die Landesgrenzen zurückdrängen. So konnte man erleben, wie afghanische Taliban-Milizen 1996 die 'Teufelskästen', das heißt Fernsehgeräte, zerschlugen und ihre paradoxen Feinde, die iranischen Ayatollahs, Parabolantennen verboten, durch die man Fernsehsendungen über Satellit empfangen konnte. In dieser Zeit war es im Maghreb untersagt, die Evolutionslehre und die Quantenmechanik zu lehren. [...]
Von der zutiefst katholischen Inquisition bis hin zu den iranischen Ayatollahs und anderen religiösen Fanatikern [...] zählt man die Leichen zu Zigtausenden. In den Augen der Geschichte ist der größte Feind Gottes nicht der Wissenschaftler, der Atheist oder der Rationalist, sondern jedweder, der von sich behauptet, in Seinem Auftrag zu handeln." (Mess, S. 18/9)
Ohne Religion keine Moral? Ohne Moral Mord und Totschlag?
Dort, wo die Vertreter von Religionsgemeinschaften und Kirchen gar keine Argumente mehr haben, hört man oft folgenden Einwand: Wenn Gott nicht existiert, dann finden wir uns keinen Werten, keinen Geboten gegenüber, die unser Betragen rechtfertigen.34 Wenn für jemand Gott nicht existiert, dann werde er zur reißenden Bestie, dann werde aus der Menschenwelt eine blutige Arena sich gegenseitig zerreißender Wölfe. - Und deshalb sei es notwendig - so folgern sie - weiterhin an Gott zu glauben, weiterhin die Religionsgemeinschaften zu stärken und zu mehren, weiterhin unsere Kirchen zu unterstützen.
Was ist dazu zu sagen? Der US-amerikanische Psychiater und Psychoanalytiker Charles Brenner schrieb dazu35:
"In den meisten organisierten Gesellschaften der Gegenwart wird die Moral als eine wünschenswerte Folge des religiösen Glaubens dargestellt. In der Sprache der Lehren des Christentums zum Beispiel würde die Argumentation folgendermaßen lauten: Wird ein Kind gelehrt, Gott zu fürchten und zu lieben und sich mit Jesus am Kreuz zu identifizieren, so wird es Gottes Moralgesetzen gehorchen und zu einem guten Menschen heranwachsen. Mit anderen Worten, dem religiösen Glauben wird die Macht zugesprochen, die Menschen moralisch gut zu machen. Soweit wir wissen, wird das in allen Gesellschaften, ganz sicher in allen zivilisierten, geglaubt. Obwohl dieser Glaube weithin akzeptiert wird, zeigen die aus der Anwendung der psychoanalytischen Methode, das heißt aus therapeutischen Analysen gewonnenen Daten eindeutig, dass dies nicht wahr ist. In Wirklichkeit kommt die individuelle Moral, die individuelle Bildung eines Über-Ichs zuerst. Sie ist Vorläufer der religiösen Erziehung, nicht deren Folge. Das Moralgefühl des Individuums wird hauptsächlich durch die Konflikte des Trieblebens in der frühen Kindheit, insbesondere in der ödipalen Phase, geformt und trägt den Stempel dieser Konflikte, was immer später geschehen mag. Es bleibt als solches das ganze spätere Leben hindurch erhalten, wenn auch in beträchtlichem Umfang unbewusst. [...]
Tatsächlich bestätigen psychoanalytische Daten, liefern unsere Forschungsergebnisse eine wissenschaftliche Erklärung für die häufig von Kritikern der Religion vorgebrachte Beobachtung, kein Glaubensbekenntnis, kein Katechismus, kein in Stein gehauenes Gebot könne einen Menschen moralisch machen. Die Moral ist eine individuelle Angelegenheit. Sie ist ein Resultat der Über-Ich-Bildung und geht auf die heftigen Leidenschaften und überwältigenden Ängste zurück, die Teil des infantilen Trieblebens sind, nicht auf die Lektionen der Sonntagsschule."
Interessant sind die Ergebnisse einer umfangreichen Studie, "die Decety und seine Kollegen [...] im Fachjournal 'Current Biology' vorgestellt haben"; es zeigte sich, dass "Kinder aus einem nichtreligiösen Haushalt [...] in Wahrheit offenbar signifikant freigiebiger [sind] als solche, deren Eltern ein religiös geprägtes Leben führen. [...] Bereits frühere Untersuchungen konnten demonstrieren, dass religiöse Menschen nicht automatisch moralischer handeln."36
Was die Feststellung von Dostojewski, wenn es keinen Gott gäbe, wäre alles erlaubt, suggeriert, ist unzutreffend: Ohne Religion würden die Menschen nicht zu gesetzlosen Bestien werden, warum auch? Solange sie ihre Bedürfnisse auf friedliche Weise befriedigen können, warum sollten sie dann plötzlich lügend und betrügend, stehlend und raubend, sengend und brennend, prügelnd und mordend durch die Gegend rennen?
Außerdem: Unsere Rechtsnormen hängen nicht von der Bibel ab, sondern vom Grundgesetz und den Grundrechten, von den in der UNO-Charta formulierten Menschenrechten und von alle den anderen Gesetzen unseres Gemeinwesens. Und wer nicht mehr an eine Sanktionierung seines Fehlverhaltens durch Gott glaubt, muss dennoch mit den Sanktionen unserer Exekutive rechnen, damit, dass sein Vergehen oder Verbrechen angezeigt, verfolgt und gerichtlich sanktioniert wird. Dabei ist die Hoffnung, die Menschen würden sich alle und in jeder Situation an die in der Gesellschaft verbindlichen Normen, Gesetze und Verordnungen halten, schon immer eine Illusion gewesen. Sobald keiner sieht, was ich tue, breche ich Regeln - egal, ob ich an Gott glaube oder nicht: Wenn keine Polizei in Sicht ist, fahre ich auch schon mal mit überhöhter Geschwindigkeit; wenn ich allein im Lager der Fabrik bin, gönne ich mir auch schon mal eine Extra-Pause; wenn ich im Park unbeobachtet bin, lasse ich auch schon mal das Häufchen meines Hundes liegen. Sobald sich Menschen unbeobachtet fühlen, sobald sie sicher sind, anonym zu bleiben, muss man damit rechnen, dass sie die Sau rauslassen. Gerade die "sozialen" Medien im Internet haben dieses Problem mit aller Deutlichkeit ins Bewusstsein gerückt.
Wenn man tatsächlich alle Menschen dazu bringen wollte, zu jeder Zeit und in jeder Situation die ethischen Werte und Normen der Gesellschaft einzuhalten, müsste man sie entweder mit Gewalt dazu zwingen, an einen allsehenden, allwissenden und strafenden Gott zu glauben (man denke an die Inquisition im Mittelalter und die Ketzerverfolgungen eines "heiligen" Bernhard von Clairvaux), oder man müsste einen totalen Überwachungsstaat á la Orwells "1984" oder wie das China eines Xi Jinping oder die Diktatur eines Kim Jong Un installieren. Wenn fanatische Anhänger einer absolut hundertprozentigen Rechtgläubigkeit oder eines absolut hundertprozentigen Rechtverhaltens darin die Lösung des Problems sehen, dann also auf in den Iran, auf nach China, auf nach Nordkorea! Ich für meinen Teil ziehe eine liberale, freiheitliche Demokratie mit all ihren Mängeln allemal vor.
Und dies noch zum Schluss: Wenn gerade die mörderischste Religionsgemeinschaft mitunter lauthals beklagt, man würde sie diskriminieren, sie zensieren, ihr ihre verfassungsmäßigen Rechte beschneiden, so möge man doch nur auf die zigtausend Toten blicken, die auf ihr Konto gehen in den Ländern, in denen sie an der Macht ist. - Nicht die Gläubigen bedürfen des Schutzes, sondern die "Ungläubigen" und Atheisten, die von den Gläubigen diskriminiert, verfolgt und massakriert wurden und werden.
So ist nichts passender, als unsere Untersuchung mit den
Grundrechte des Menschen in Bezug auf sein Bekenntnis
zu beschließen:
1. Jeder Mensch hat das Recht - ganz gleich, in welcher Gesellschaft er lebt -, nicht an einen Gott zu glauben.
2. Jeder Mensch hat das Recht, nicht an übernatürliche Wesen zu glauben.
3. Jeder Mensch hat das Recht, nicht an Wunder zu glauben.
4. Jeder Mensch hat das Recht, nicht zu glauben, Jesus sei Gott.
5. Jeder Mensch hat das Recht, nicht zu glauben, dass Maria Jesus als Jungfrau geboren hat.
6. Jeder Mensch hat das Recht, nicht an ein Leben nach dem Tod zu glauben.
7. Jeder Mensch hat das Recht, nicht an eine Auferstehung von Toten zu glauben.
8. Jeder Mensch hat das Recht, nicht an das Kommen eines "Jüngsten Tages", eines "Messias" oder eines Gottesreiches zu glauben.
9. Jeder Mensch hat das Recht, nicht an einen Himmel bzw. eine Hölle zu glauben.
10. Jeder Mensch hat das Recht, nicht an eine göttliche Herkunft oder göttliche Legitimation irgendeines Textes zu glauben.
11. Jeder Mensch hat das Recht, alle Menschen, die behaupten, sie hätten Kontakt mit einem Gott oder übernatürlichen Wesen gehabt, für Lügner bzw. Phantasten zu halten.
12. Kein Mensch hat das Recht, einem anderen Menschen seinen Glauben aufzwingen zu wollen oder andere Menschen zu verfolgen, zu quälen oder zu töten oder in irgendeiner Weise zu benachteiligen, weil sie nicht an das glauben, woran er selbst glaubt.
13. Kein Mensch hat das Recht, einem Gemeinwesen eine Religion oder Weltanschauung als allgemein verbindlich vorschreiben zu wollen.
14. Kein Staat hat das Recht, ein religiöses Bekenntnis oder eine weltanschauliche Ideologie durch Worte und Taten anderen religiösen Bekenntnissen oder weltanschaulichen Ideologien vorzuziehen bzw. die anderen zu benachteiligen.
15. Jede Religionsgemeinschaft oder weltanschauliche Gruppierung muss die Verfassung des Staates, sofern diese Verfassung alle Grundrechte des Menschen ausdrücklich achtet und schützt, vorbehaltlos anerkennen und sich ihr verpflichtet fühlen.
Anmerkungen
1Messadié, Gérald: Die Geschichte Gottes. Über den Ursprung der Religionen. Erftstadt: Area, 2006 (Propyläen; Berlin: Ullstein, 1998; zit. als Mess), S. 14
2Nach: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/menschen/juri-gagarin-der- erste-mensch-im-weltraum (entnommen am 6.11.21): "Juri Gagarin: Der erste Mensch im Weltraum" von Helmut Frank und Klaus Merhof, 10. April 2011
3Lang, Berhard und McDanell, Colleen: Der Himmel. Eine Kulturgeschichte des ewigen Lebens. Ffm.: Suhrkamp, 1990, S. 120
4Fritzsch, Harald: Quarks - Urstoff unserer Welt. München, Zürich: Piper, 1984
5Davies, Paul: Die Urkraft. Auf der Suche nach einer einheitlichen Feldtheorie der Natur. Hamburg: Rasch und Röhring, 1987
6Genz, Henning: Die Entdeckung des Nichts. Leere und Fülle im Universum. Augsburg: Bechtermünz Verlag im Weltbild Verlag, 1997
7Close, Frank: Das Nichts verstehen. Die Suche nach dem Vakuum und die Entwicklung der Quantenphysik. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag, 2009
8Mitton, Simon: Die Erforschung der Galaxien. Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1978
9Ambarzumjan, Viktor: Probleme der modernen Kosmogonie. Basel, Stuttgart: Birkhäuser (Lizenzausgabe des Akademie Verlags Berlin (Ost)), 1976 (zit. als Ambar)
10Krautter, Joachim u. a.: Meyers Handbuch Weltall. Mannheim u. a.: Meyers Lexikonverlag, 19947
11https://de.wikipedia.org/wiki/Galaxie (entnommen am 21.1.21)
12https://languages.oup.com/google-dictionary-de (Erklärung zum Stichwort "Jagdzauber", entnommen am 2.6.24)
13Der folgende zitierte Text entstammt dem Buch "Mit den Wolken des Himmels" von Wolfgang Martin (Berlin: Selbstverlag, 2020), S. 101 - 103
14Fohrer, Georg: Geschichte der israelitischen Religion. Berlin: Walter de Gruyter & Co, 1969 (zit. als Fohrer)
15https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84tiologie_(Erz%C3%A4hlung) (entnommen am 16.4.24)
16Mythologie, hrsg. v. Roy Willis. Bertelsmann Handbuch. Gütersloh/München: Bertelsmann Lexikon Verlag, 1994 (zit. als Myth)
17Friedman, Richard Elliott: Wer schrieb die Bibel? So entstand das Alte Testament. Köln: Anaconda, 2007, S. 156 (zit. als Friedman)
18Nach: https://www.bibelwissenschaft.de/ressourcen/wibilex/altes- testament/abjatar (entnommen am 24.02.2024)
19Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Jerobeam_I. (entnommen am 24.02.2024)
20Siehe https://www.die-bibel.de/lightbox/basisbibel/sachwort/ sachwort/anzeigen/details/ heilige-hoehe/ (entnommen am 24.02.2024)
21Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6henheiligtum (entnommen am 24.02.2024)
22Clauss, Manfred: Das alte Israel. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. München: Beck, 20032, S. 97/8 (zit. als Clauss)
23Die Geister des Gelben Flusses. Chinesische Märchen. Rudolstadt: Greifenverlag, [1955], S. 195/6
24Nach: Soukup, Uwe: Ich bin nun mal Deutscher. Sebastian Haffner. Eine Biographie. Berlin: Aufbau, 2001, S. 263
25Nach: https://www.deutschlandfunk.de/rebecca-solnit-george- orwells-rosen-100.html#:~:text=%E2%80%9EWer%20 die%20Vergangenheit%20kontrolliert%2C%20kontrolliert, kontrolliert%2C%20kontrolliert%20die%20Vergangenheit %E2%80%9C. (entnommen am 24.02.2024)
26Mythologie der Weltreligionen. Eine illustrierte Weltgeschichte des mythisch-religiösen Denkens, hrsg. v. Richard Cavendish und Trevor O. Ling. Bindlach: Gondrom, 1991 (München: Christian, 1981), S. 10
27Der Prophet Deuterojesaja trat im Babylonischen Exil (587 - 539 v. Chr.) auf.
28Finkelstein, Israel und Silberman, Neil A.: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel. München: C. H. Beck, 20033, S. 134/5 (zit. als FuS)
29Binnenzitat: Joseph Campbell: The Inner Reaches of Outer Space: Metaphor as Myth and as Religion. New York: Van der Marck Editions, 1985; Harper Perennial, 1988, S. 55
30https://de.wikipedia.org/wiki/Ich (entnommen am 15.11.21)
31S. https://de.wikipedia.org/wiki/Ich (entnommen am 15.11.21)
32http://teachsam.de/psy/psy_pers/psy_pers_freud/ psy_pers_freud_2.htm (entnommen am 21.11.21)
33https://www.dasgehirn.info/denken/bewusstsein/ was-ist-bewusstsein (entnommen am 17.11.21)
34Nach: https://www.lehrplanplus.bayern.de/sixcms/media.php/ 71/LIS-Aufgabe%20-%2013.2.%20Religionskritik%20Sartre.pdf (entnommen am 14.06.24)
35Brenner, Charles: Grundzüge der Psychoanalyse. Ffm.: Fischer, 1972 (1994), S. 193
36https://www.derstandard.at/story/2000025163557/religion- macht-uns-nicht-moralischer (entnommen am 27.10.22)
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Ins Netz gestellt am 20.6.2024
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