Leseprobe:

Aus: Die Ideologie des Marxismus und Sozialismus

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Marx hatte also nicht den wirklichen Proletarier im Fokus, sondern ein ideologisches Konstrukt, eine Kunstfigur, ein Idealwesen, das es in Wirklichkeit nicht gab. Die Frage stellt sich, ob dieser Irrtum der einzige Denkfehler im marxschen Weltbild war. Um diese Frage beantworten zu können, wollen wir uns die ideologischen Theoreme des Marxismus genauer ansehen und dafür ihre Grundaussagen in Thesenform formulieren:
  • Die Gesellschaft besteht aus Klassen.
  • Diese Klassen stehen sich antagonistisch, also unversöhnlich, gegenüber.
  • Ihr Verhältnis ist geprägt durch Kampf.
  • Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
  • Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte von Klassenkämpfen.
  • Die Geschichte der Menschheit ist eine stete Aufwärtsentwicklung, wobei die entscheidenden Faktoren die Entwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsmittel sind.
  • Der Kommunismus ist die höchste Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung und entspricht - salopp gesprochen - dem Paradies.
  • Die Übergangsform vom Kapitalismus zum Kommunismus ist der Sozialismus.
  • Während des Sozialismus herrscht eine Diktatur des Proletariats.
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Betrachten wir nun, welche Kriterien - nach Marx - einen Proletarier ausmachen und welche einen Bourgeois.
Nach Marx ist ein Proletarier dadurch gekennzeichnet, dass dieser keine Produktionsmittel besitzt, die ihm ermöglichen würden, sich selbst zu versorgen; zum zweiten kennzeichnet ihn seine Besitzlosigkeit; sein einziger "Besitz" ist seine Arbeitskraft und er ist gezwungen, diese Arbeitskraft zu verkaufen, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Einen Bourgeois kennzeichnet nach Marx das exakte Gegenteil: Er besitzt nicht nur die Produktionsmittel (z. B. als Fabrikbesitzer und Großunternehmer), sondern er vermehrt seinen Besitz auch ständig durch die Ausbeutung der von ihm gekauften Arbeitskraft der Proletarier; große Teile seines Besitzes setzt er in Form von Geld ständig als Kapital ein, um noch mehr Besitz zu erzielen.
Wenn Marx nun sagt, der Bourgeois wird reich durch die Ausbeutung der Arbeitskraft seiner Arbeiter, so wird der Bourgeois zu einer negativen Person, zu einem sozialen Bösewicht, dessen "Beseitigung" nachgerade als eine Wohltat für die Menschheit erscheint. Der Proletarier ist gut, der Bourgeois ist böse - auf diese einfache Aussage lässt sich die Sichtweise von Marx reduzieren. "Böse" Proletarier bekommen im Marxismus Extra-Schubladen: der Lumpenproletarier und der Arbeiteraristokrat, während "gute" Bourgeois in der marxschen Ideologie nicht auftauchen.
Mit der Realität hat das jedoch nichts zu tun. Ein Arbeiter kann, obwohl er ausgebeutet wird, menschlich ein Schweinehund sein, ein Unternehmer, obwohl er ausbeutet, ein hoch anständiger Arbeitgeber und sozialer Wohltäter. Natürlich lässt sich das alles wieder ins Gegenteil verkehren: Ja, der Arbeiter soundso ist ja nur deshalb ein Schweinehund geworden, weil ihn die kapitalistischen Umstände dazu gemacht haben; ja, der Unternehmer soundso gibt sich ja nur deshalb so sozial, weil er gesunde und zufriedene Arbeiter besser und länger ausbeuten kann; sein soziales Gehabe ist also lediglich eiskalte Berechnung.
Die Wahrheit ist, dass sowohl die Proletarier als auch die Bourgeois die ganze Bandbreite menschlicher Verhaltensweisen zeigen - völlig unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einer marxschen "Klasse". Was das Verhalten der Menschen wirklich bestimmt - und das sieht Marx nicht - ist nicht ihre Zugehörigkeit zu einer sozialen "Klasse", sondern das biologische Erbgut der Trockennasenprimaten. Wenn man das begriffen hat, reduziert sich der "Hass [eines Marxisten] auf den Klassenfeind", weil dieser den Arbeiter ausbeutet, auf das triviale Faktum des Neids: Der Marxist neidet dem Unternehmer den Erfolg, den Aufstieg, den Reichtum. Wie schnell Marxisten zu richtig üblen Ausbeutern, Unterdrückern und Profiteuren werden, sobald sie "die Diktatur des Proletariats" in Händen halten, hat die Geschichte der Sowjetunion und ihres Endes hinlänglich erwiesen.
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