Wolfgang Martin


Wo wohnte Jesus?


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Na, in Nazaret natürlich, werden die meisten auf diese Frage antworten, denn - steht bei Markus (1,9) nicht "Jesus aus/von Nazareth"? Und so steht auf ungezählten Buchtiteln über Jesus: "Jesus aus/von Nazareth", so auch auf dem dreibändigen Werk des Joseph Ratzinger, weiland Papst Benedikt XVI. (2005 - 2013), erschienen im Jahr 2014. Dabei wurden schon um 1900 n. Chr. Zweifel daran geäußert (J. M. Robertson), dass Jesus tatsächlich aus Nazaret stamme.

Tatsächlich beruht die Ansicht, Jesus stamme aus Nazaret, auf einer "kleinen" Mogelei gleich zu Beginn des Markus-Evangeliums (Mk 1,9: "Jesus aus Nazaret"). Jesus war Nazoräer, ein Ausdruck, der in den Schriften des Neuen Testaments mehrfach als Attribut für Jesus verwendet wird:

Mk 14,67: "Sie sah, wie Petrus sich wärmte, blickte ihn an und sagte: Auch du warst bei dem Nazarener [= dem Nazoräer], bei Jesus."
Mt 2,23: "und ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden."
Mt 26,71: "Und als er zum Tor hinausgehen wollte, sah ihn eine andere Magd und sagte zu denen, die dort standen: Der war mit Jesus dem Nazoräer zusammen."
Joh 18,5 u. 7: "Wen sucht ihr? 5 Sie antworteten ihm: Jesus den Nazoräer. Er sagte zu ihnen: Ich bin es. Auch Judas, der ihn auslieferte, stand bei ihnen. 6 Als er zu ihnen sagte: Ich bin es!, wichen sie zurück und stürzten zu Boden. 7 Er fragte sie noch einmal: Wen sucht ihr? Sie sagten: Jesus den Nazoräer."
Apg 2,22: "Israeliten, hört diese Worte: Jesus, den Nazoräer, einen Mann, den Gott vor euch beglaubigt hat durch Machttaten, Wunder und Zeichen, die er durch ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst"
Apg 6,14: "Wir haben ihn nämlich sagen hören: Dieser Jesus, der Nazoräer, wird diesen Ort zerstören und die Bräuche ändern, die uns Mose überliefert hat."
Apg 22,8: "Ich antwortete: Wer bist du, Herr? Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst."

Markus nun führt diesen Ausdruck (absichtlich) fälschlicherweise auf den kleinen galiläischen Ort Nazaret zurück, und obwohl Markus behauptet, Jesus sei aus Nazaret (Mk 1,9), geht doch aus seinem Text klar hervor, dass er in Kafarnaum beheimatet war:

"Als er einige Tage später nach Kafarnaum zurückkam, wurde bekannt, dass er (wieder) zu Hause war." (Mk 2,1)
"Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?" (Mk 9,33)
"Von dort brach Jesus auf und kam in seine Heimatstadt [gemeint ist Kafarnaum]; seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?" (Mk 6,1 - 3)
Schließlich: Als die ausgesandten Jünger zu Jesus zurückkehren, erstatten sie ihm Bericht. Wörtlich heißt es bei Markus (6,30 - 32): "Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus! Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein."
Die Formulierung "...versammelten sich wieder bei Jesus..." kann ja nur heißen: bei ihm (Jesus) zu Hause; sie versammeln sich also dort, wo Jesus wohnt, wo er zu Hause ist. Nazaret kann das aber nicht sein. Warum nicht? Da sie dort, wo Jesus wohnt, keine Ruhe haben, - fahren sie "also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein." Dass sie "mit dem Boot" wegfahren, passt kaum auf Nazaret, wohl aber zu Kafarnaum, das am See Genezareth liegt. So verweist auch diese Textstelle darauf, dass Jesus in Kafarnaum zu Hause war.
Dass auch seine Familie in Kafarnaum lebte, geht nicht nur aus Mk 6,1 - 3 hervor (s. o.), sondern auch aus Mk 3,20/21: "Jesus ging in ein Haus und wieder kamen so viele Menschen zusammen, dass sie nicht einmal mehr essen konnten. 21 Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen; denn sie sagten: Er ist von Sinnen."
Diese Stelle setzt faktisch voraus, dass auch Jesu Angehörigen in Kafarnaum beheimatet waren, denn es ist wenig wahrscheinlich, dass sie in Nazaret von Jesu Tätigkeit hörten und dann alle zu Fuß nach Kafarnaum marschierten.

Im Wikipedia-Artikel "Jesus von Nazareth" (vom 11.09.2024, 9.23 Uhr) heißt es im Abschnitt "Geburtsort", 3. Absatz, zutreffend: "Nazareth war nach archäologischen Funden damals ein unbedeutendes Dorf von höchstens 400 Einwohnern."
Dazu passt nicht, was Markus (6,1 - 3) über die Heimatstadt von Jesus berichtet: "Von dort brach Jesus auf und kam in seine Heimatstadt; seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?"
Dass ein 400-Einwohner-Kaff eine Synagoge besaß, ist nicht sehr wahrscheinlich; auch die "vielen Menschen" passen nicht so recht zu einem kleinen Dorf. Und dass Jesus in einem kleinen ländlichen Flecken den Beruf des Zimmermanns erlernt haben soll, ist auch wenig wahrscheinlich. In Nazaret wäre er doch wohl eher Bauer geworden wie die anderen Dörfler auch. Der Beruf des Bauhandwerkers ("Zimmermann") ist ein städtischer Beruf und nur in einer Stadt hätte Jesus als Zimmermann genug Arbeit gefunden, um einen auskömmlichen Verdienst zu haben.
Nun könnte man zwar einwenden, Jesus hätte zwar in Nazaret gewohnt, hätte aber diesen Beruf in der nächstgelegenen Stadt (Sepphoris [Zippori] nordnordwestlich von dem heutigen Nazaret) erlernt und ausgeübt (als Pendler sozusagen), jedoch ist es nach den eindeutigen Hinweisen bei Markus (s. o.) viel naheliegender anzunehmen, dass Jesus diesen Beruf in der Stadt Kafarnaum, seinem Heimatort, erlernt hat und dort als Zimmermann sein Geld verdiente. Auch wird Sepphoris in keinem Evangelium erwähnt.
Gegen Nazaret als Wohnort Jesu spricht auch Folgendes: Matthäus übernimmt die Geschichte, nach der Jesus in seinem Heimatort abgelehnt wurde, von Markus (6,1 - 6a) und vermeidet - wie dieser - die Nennung eines Ortsnamens im Zusammenhang mit dem Begriff "Heimatstadt" - und suggeriert somit - wie Markus -, das Ganze sei in Nazaret geschehen. Zugleich lässt Matthäus Jesus eines seiner Wunder ausdrücklich in Kafarnaum wirken (Mt 8,5 - 13). Da Jesus aber sowohl bei Markus als auch bei Matthäus in seinem "Heimatort" wegen des Unglaubens der Einwohner "dort nur wenige Wunder" wirken konnte (bei Markus heißt es gar, "er konnte dort keine Wunder tun"), musste er also logischerweise in Nazaret abgeblitzt sein und nicht in Kafarnaum. Nachdem bei Matthäus, so wie von ihm beabsichtigt, alles auf Nazaret als Heimatort hinweist, verdammt er aber an anderer Stelle ausdrücklich die Stadt Kafarnaum und nicht Nazaret, obwohl die Ereignisse zwingend das Umgekehrte erwarten lassen würden (Mt 11,23/4). Unter den drei verdammten Städten, Chorazin, Betsaida und Kafarnaum, taucht Nazaret nicht auf - obwohl es an erster Stelle statt Kafarnaum verdammt werden müsste. Damit verrät Matthäus den tatsächlichen Heimatort Jesu. Auch die Tatsache, dass Jesus gerade in Kafarnaum, wohin er nach Matthäus angeblich kurz vorher gezogen sei, seine ersten Jünger anwirbt und nicht in Nazaret, weist darauf hin, dass Kafarnaum und nicht Nazaret der "Heimatort" Jesu war.

Dadurch, dass Markus den Ausdruck "Nazoräer" (absichtlich) fälschlicherweise auf den kleinen galiläischen Ort Nazaret zurückführt, ergibt sich also die Ungereimtheit, dass Markus zwar behauptet, Jesus sei aus Nazaret (Mk 1,9), jedoch aus seinem Text klar hervorgeht, dass Jesus in Kafarnaum beheimatet war.
Offenbar hat Matthäus diesen Widerspruch bemerkt und versucht ihn dadurch zu beheben, dass er Jesus von Nazaret nach Kafarnaum umziehen lässt (Mt 4,13): "Er [Jesus] verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali." Zugleich bekräftigt Matthäus ausdrücklich die Mogelei von Markus, obwohl er sehr wohl weiß, wer die Nazoräer tatsächlich waren (Mt 2,23): "und [Joseph] ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er [Jesus] wird Nazoräer genannt werden."

Wenn mit "Nazoräer" also nicht Nazaret gemeint ist - wer waren dann die Nazoräer, bei denen Jesus offenbar Mitglied war? Warum diese Falschmünzerei von Markus und auch Matthäus? - Es fehlte in der Geschichte der Leben-Jesu-Forschung nicht an Versuchen, den Begriff Nazoräer auf seine Wurzeln hin zu untersuchen, denn die Ableitung von dem galiläischen Flecken Nazaret war so zwingend nicht, es gab auch Alternativen. Schon Matthäus (2,23 (s. o.)) führt den Begriff auf die alttestamentlichen Propheten zurück: Vielleicht meint er, der Begriff sei von Jesaja 11,1 herzuleiten, wo von dem "Spross" (hebräisch "nezär") die Rede ist, der aus dem Baumstumpf Isai hervorwächst - d. h. nach dem Strafgericht über die Nachkommen von König David und seinem Volk wird aus derselben Familie (Isai ist Davids Vater) ein neuer König erwartet, der Gottes Willen erfüllt und dem Volk Rettung bringt.
Die Einheitsübersetzung von 1980 verweist an dieser Stelle auf das alttestamentliche Buch Richter (Ri 13,5.7 G). Diese Stelle kann aber der Verfasser des Matthäus-Evangeliums auf keinen Fall gemeint haben, denn dort wird der Begriff "Nasiräer" verwendet (Ri 13,5 und 13,7). Bei Henri Daniel-Rops[1] heißt es zu dem Begriff "Nasiräer": "Im vierten Buch Moses steht geschrieben, was Männer und Frauen, die 'ein besonderes Gelübde ablegten, die sich dem Ewigen weihten', tun und lassen sollten. [...] man nannte sie Nasiräer; die hebräische Wurzel bedeutet sich aussondern und sich weihen. Das Nasiräat war sehr alt in Israel, schon der Prophet Amos spricht davon, und zur Zeit Jesu kannte man es bestimmt, denn im Tempel war ein kleiner Eckhof in dem großen Vorhof den Nasiräern vorbehalten. [...] Sie mussten ein dreifaches Gelübde ablegen: sich des Weins und berauschender Getränke zu enthalten, [...] nicht 'mit dem Schermesser über den Kopf fahren', das heißt, sie mussten sich das Haar wachsen lassen, [...] schließlich durften sie sich keinem Leichnam nähern [...]."
Bei Richter 13,1 - 25 geht es nicht um den Messias, geschweige denn um einen Bezug auf einen Ort namens Nazaret, sondern um die Geburt von Simson (Ri 13,2 - 5): "Damals lebte in Zora ein Mann namens Manoach aus der Sippe der Daniter; seine Frau war unfruchtbar und hatte keine Kinder. Der Engel des Herrn erschien der Frau und sagte zu ihr: [...] Denn siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. Es darf kein Schermesser an seine Haare kommen; denn der Knabe wird von Geburt an ein Gott geweihter Nasiräer sein." In Ri 13,24 heißt es schließlich: "Die Frau gebar einen Sohn und nannte ihn Simson".
Selbst ein solch hochkarätiger Wissenschaftler wie Albert Schweitzer bringt den Begriff Nazoräer mit dem Begriff Nasiräer (von hebräisch 'nasir' zur Wurzel 'aussondern', 'weihen', 'geloben', etwa mit "Asket" zu übersetzen[2]) in Verbindung[3] und noch 1966 (dt. Übers. 1970) schließt sich der italienische Bibelwissenschaftler Marcello Craveri (1914 - 2002) dieser Sichtweise an[4]: "Nach Ansicht verschiedener Gelehrter hat es Nazareth - oder besser Nazrat oder Nozeret - in biblischen Zeiten nie gegeben; das Wort 'Nazarener', das in den neutestamentlichen Schriften in Verbindung mit dem Namen Jesu verwendet wird, bezeichnet nach dieser Auffassung nicht seinen Heimatort, sondern muss von dem Aramäischen nasir abgeleitet werden, worunter damals Personen verstanden wurden, die ein ewiges oder auf eine begrenzte Zeit befristetes Gelübde der Enthaltsamkeit abgelegt hatten und während der ganzen Dauer dieses Gelübdes keinen Wein tranken und ihre Haupthaare ungeschoren trugen."
Tatsächlich finden wir in den Evangelien des Neuen Testaments keinerlei Hinweise darauf, dass Jesus Nasiräer gewesen sei - ganz im Gegenteil: Nicht nur, dass er und seine Jünger die Fastenzeit ignorieren (Mk 2,18/9), Jesus erscheint sogar eher als einer, der den Gaumenfreuden nicht abgeneigt war. So nimmt er offenbar ganz selbstverständlich am Gastmahl bei anderen Leuten teil (Mk 2,15/6) und auch bei sich zu Hause wird ganz normal gegessen (Mk 3,20; Mk 6,31). Die Sederfeier zelebriert er mit seinen Jüngern völlig konventionell und dort erfährt der Leser auch, dass Jesus sehr wohl Wein trinkt (Mk 14,17 - 25): "Als es Abend wurde, kam Jesus mit den Zwölf. 18 Während sie nun zu Tisch waren und aßen, sagte Jesus [...] 25 [...] Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von Neuem davon trinke im Reich Gottes." Matthäus berichtet, dass Jesus bei den Leuten gar als "Fresser und Säufer" (Mt 11,19) galt.
Es ist das unschätzbare Verdienst des Orientalisten Hartmut Stegemann, schließlich die zutreffende Herleitung des Begriffs Nazoräer geliefert zu haben[5]:
"Wegen dieser Bedeutsamkeit seiner Taufe [Gewähr der Sündenvergebung durch Gott im Endgericht] haben zeitgenössische Juden den Johannes und seine Anhänger etwas spöttisch 'die Bewahrer' [die dich davor bewahren, im Endgericht von Gott verworfen zu werden] genannt, aramäisch n a z r é n oder - mit Artikel - n a z r á j j a, in griechischer Wiedergabe n a z a r e n o í bzw. n a z o r a i o i. Zur besseren Unterscheidung von vielen Gleichnamigen wurde deshalb Jesus 'der Nazarener' [...] bzw. der 'Nazoräer' [...] genannt, was ursprünglich gar nicht seine Herkunft 'aus Nazaret' meinte [...], sondern seine Herkunft aus dem Täuferkreis oder seine Zugehörigkeit zu diesem."
Damit war klar: Jesus war dem Jüngerkreis um Johannes den Täufer zuzuordnen; Jesus hat sich also nicht nur von Johannes taufen lassen, sondern er hat diesem in Betanien am Jordan, dem Wirkungsort von Johannes dem Täufer, zusammen mit anderen Jüngern assistierend zur Seite gestanden; es bestand somit ein Schüler-Meister-Verhältnis zwischen Jesus und Johannes.

Nachdem sich nun im Laufe des ersten Jahrhunderts n. Chr. die Ur- und Frühchristen darauf versteiften, Jesus sei der - von vielen Juden sehnlichst erwartete - Messias (gewesen), war ihnen der Zusatz "der Nazoräer" peinlich. Warum? Wenn Jesus der Messias ist (und nach und nach von den Christen zum Gott stilisiert wurde), dann war das Schüler-Meister-Verhältnis, welches der Zusatz "der Nazoräer" zum Ausdruck brachte, in den Augen der Christen nicht mehr zutreffend: Der göttliche Messias Jesus konnte nicht - wie oben bereits bemerkt - der Schüler beziehungsweise Jünger eines Menschen gewesen sein, selbst wenn dieser, wie im Falle des Johannes, in der Bevölkerung den Status eines Propheten innehatte.
Was also sowohl Markus als auch Matthäus vertuschen wollten, ist die (für sie peinliche) Tatsache, dass Jesus ein Anhänger und Jünger von Johannes dem Täufer gewesen war, und der göttliche Messias konnte, wie gesagt, nun einmal kein Schüler eines voraufgegangenen Propheten gewesen sein! Deshalb verfiel Markus auf die Idee, den Zusatz "der Nazoräer" auf den Ort Nazaret zurückzuführen und Matthäus folgte ihm darin und bekräftigte dies noch (Mt 2,23).
Und so titelten Autoren jahrhundertelang - und titeln noch heute (s. Ratzinger und Wikipedia) - "Jesus aus/von Nazareth", obwohl Jesus Kafarnaumer war.

Anmerkungen

1. Daniel-Rops, Henri: Die Umwelt Jesu. Der Alltag in Palästina vor 2000 Jahren. München: dtv, 1980, S. 381
2. Nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Nasir%C3%A4er#:~:text=
Ein%20Nasir%C3%A4er%20(von%20hebr%C3%A4isch%20%D7%A0%D6%B8%D7%96%
D6%B4%D7%99%D7%A8,Eid%20wird%20als%20Nasir%C3%A4at%20bezeichnet. (entnommen am 11.09.2024)
3. Siehe dazu: Schweitzer, Albert: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung. Tübingen: Mohr (Paul Siebeck), 1906/1984, S. 470
4. Craveri, Marcello: Das Leben des Jesus von Nazareth. Stuttgart: Klett, 1970, S. 13
5. Stegemann, Hartmut: Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus. Freiburg, Basel, Wien: Herder Verlag, 1993, S. 303/4

© by Wolfgang Martin

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